Leitsatz

  1. Der Wert des Beschwerdegegenstands in Familiensachen ist mangels gesetzlicher Regelungen nach freiem Ermessen zu schätzen.
  2. In Verfahren auf Zuweisung des Kindergelds hat sich der Wert des Beschwerdegegenstands grundsätzlich an der Wertvorschrift des § 51 Abs. 3 FamGKG zu orientieren.

OLG Köln, Beschl. v. 12.12.2014 – 12 UF 105/14

1 Sachverhalt

Die Beteiligten sind Eltern zweier Kinder, geboren in den Jahren 2005 und 2008. Seit Sommer 2012 praktizieren sie bei der Betreuung der Kinder ein sog. Wechselmodell, d.h. die Kinder werden jeweils wochenweise von der Mutter bzw. vom Vater betreut. Die Bewertung des Umfangs der Betreuungsanteile ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Antragsgegnerin bezieht Kindergeld für den jüngeren Sohn N. Der Antragsteller begehrt seine Bestimmung als Bezugsberechtigter des Kindergeldes für den älteren Sohn G. Dem tritt die Antragsgegnerin entgegen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das AG mit der angefochtenen Entscheidung den Antragsteller zum Bezugsberechtigten des Kindergeldes für den Sohn G bestimmt. Hiergegen richtet sich die als Beschwerde bezeichnete Eingabe der Antragsgegnerin mit der Begründung, sie habe ein deutliches Übergewicht bei der Betreuung der Kinder, weshalb ihr das Kindergeld auch für G zustehe. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG als Beschwerdegericht vorgelegt.

2 Aus den Gründen

Der von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbehelf ist als Beschwerde unzulässig, weil der Beschwerdewert nicht erreicht ist. Die Eingabe ist vielmehr als Erinnerung gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG zu behandeln, über die der Familienrichter des AG abschließend zu entscheiden hat. Die Vorlageverfügung ist daher aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.

a) Gem. § 61 Abs. 1, 2 FamFG ist in vermögensrechtlichen Angelegenheiten die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Beschwerde zugelassen hat. Letzteres ist nicht der Fall.

Bei einem Verfahren betreffend die Bestimmung der Bezugsberechtigung für das Kindergeld nach den § 64 Abs. 2 S. 3 EStG handelt es sich um eine sonstige Unterhaltssache nach § 231 Abs. 2 FamFG, die jedoch nicht als Familienstreitsache, sondern als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt, obwohl es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt (OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.8.2013 – 6 UF 215/13, juris Rn 4 [= AGS 2014, 478]; OLG Celle, Beschl. v. 14.5.2012 – 10 UF 94/11, juris, Rn 12 m.w.Nachw.; Feskorn in: Zöller, FamFG, 30. Aufl., § 61 Rn 4). Insofern ist auch bei der Bestimmung des Kindergeldberechtigten für die Eröffnung der Beschwerde ein Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 600,00 EUR erforderlich.

b) Es ist nicht ersichtlich, dass der vom FamG erstinstanzlich nicht festgesetzte Verfahrenswert bzw. der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600,00 EUR überschreitet.

Der Beschwerdewert ist in Unterhaltssachen, die nicht Familienstreitverfahren sind, nach freiem Ermessen festzusetzen (Feskorn in: Zöller, a.a.O. Rn 11). Eine Bestimmung des Wertes entsprechend § 9 ZPO mit Einordnung des Kindergeldes als wiederkehrende Leistung kommt nicht in Betracht, da in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht auf die Vorschriften des §§ 3 ff. ZPO zurückgegriffen werden kann.

§ 51 Abs. 3 S. 1 FamGKG trifft für die Kosten eine Regelung hinsichtlich des Verfahrenswerts, der in der Regel 500,00 EUR beträgt. Ist dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren Wert festsetzen, § 51 Abs. 3 S. 2 FamGKG. Zwar ist der nicht die Kosten betreffende Wert des Beschwerdegegenstands selbstständig, insbesondere unabhängig von dem in § 51 Abs. 3 FamGKG vorgegebenen Verfahrenswert zu bestimmen. Die gesetzgeberische Überlegung, die Anlass gab, dem Verfahrenswert die geringstmögliche Gebührenstufe von ursprünglich 300,00 EUR zuzuweisen (BT-Drucks 16/6308), dass nämlich den Verfahren grundsätzlich eine geringe Bedeutung zukomme, hat aber auch bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes Geltung (OLG Frankfurt a.a.O. Rn 6; OLG Celle a.a.O., Rn 14; OLG Jena, Beschl. v. 14.2.2013 – 2 WF 642/12, juris Rn 16 [= AGS 2013, 144]).

Eine Erhöhung des Beschwerdewertes entsprechend § 51 Abs. 3 S. 2 FamGKG wegen Unbilligkeit der Annahme des Regelwertes ist schließlich nicht veranlasst. Für die Rechtfertigung einer Erhöhung ist vorliegend nichts dargetan. Eine solche Abweichung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Sache ihrem Umfang, ihrer Schwierigkeit oder ihrer Bedeutung nach eine Werterhöhung erfordert. Hiervon ist nicht auszugehen. Allein die Tatsache, dass das vorliegende Verfahren streitig geführt wurde, rechtfertigt die Erhöhung nicht, da dies regelmäßig Anlass für eine gerichtliche Bestimmung nach § 64 Abs. 2 EStG der Fall sein dürfte. Auch die Dauer der festzulegenden Kindergeldberechtigung – die Auszahlung erfolgte nicht mehr seit Sommer 2012 – rechtfertigt einen erhöhten Wertansatz nicht. Denn ...

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