Leitsatz
- Die sofortige Beschwerde nach § 99 Abs. 2 ZPO ist auch dann statthaft, wenn eine Verurteilung aufgrund eines entsprechenden Anerkenntnisses unter einem Zug-um-Zug-Vorbehalt erfolgt.
- Der Kläger hat in der Regel keine Veranlassung zur Klage, wenn der Schuldner zu erkennen gibt, dass er die Leistung nur wegen eines Gegenanspruchs zurückhält und dieser Anspruch besteht; der Schuldner muss seine Leistungsbereitschaft nicht ausdrücklich für den Fall zusagen, dass der Gegenanspruch erfüllt wird.
BGH, Beschl. v. 22.10.2015 – V ZB 93/13
1 Sachverhalt
Der Kläger verkaufte der Beklagten mit notariellem Vertrag vom 1.3.2012 Grundbesitz für 2,3 Mio. EUR und bewilligte ihr eine Auflassungsvormerkung, die in das Grundbuch eingetragen wurde. Für den Fall des Rücktritts war in dem Vertrag die Verpflichtung des Klägers vorgesehen, unter anderem die Kosten des Vertrags zu tragen. Der Beklagten entstanden aus der Beurkundung des Vertrags Notar- und Grundbuchkosten von 20.966,00 EUR. Am 30.3.2012 trat die Beklagte von dem Vertrag zurück und focht ihn an. Daraufhin trat der Kläger am 16.8.2012 seinerseits von dem Vertrag zurück und verlangte von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung. Auf die Klage beantragte die Beklagte in der Erwiderung, die Verurteilung zu der beantragten Löschungszustimmung nur Zug um Zug gegen Zahlung von 20.966,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auszusprechen.
Das LG hat der Klage mit dem beantragten Zug-um-Zug-Vorbehalt stattgegeben und der Beklagten alle Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf deren sofortige Beschwerde hat das OLG die Kostenentscheidung geändert und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Dagegen wendet sich dieser mit der von dem OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde. Er möchte die Wiederherstellung der Kostenentscheidung in dem Urteil des LG erreichen. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
2 Aus den Gründen
II. Das Beschwerdegericht hält die sofortige Beschwerde der Beklagten nach § 99 Abs. 2 ZPO für statthaft. Das LG habe in der Sache aufgrund eines Anerkenntnisses entschieden. Dass es sich nicht um ein Anerkenntnisurteil im technischen Sinne handele, stehe der Anwendung von § 99 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Sie sei vielmehr geboten, weil die Beklagte das Urteil mangels Beschwer nicht mit einem Rechtsmittel in der Hauptsache angreifen könne. Die Beschwerde sei begründet, weil die Beklagte den Klageanspruch anerkannt habe. Dem stehe der erklärte Zug-um-Zug-Vorbehalt nicht entgegen. Die Beklagte habe keine Veranlassung zur Klage gegeben. Sie habe sich vorprozessual auf das Zurückbehaltungsrecht berufen.
III. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht nimmt zu Recht an, dass die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Kostenentscheidung in dem Urteil des LG analog § 99 Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft und auch sonst zulässig ist. Danach findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt, wenn die Hauptsache durch eine aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt ist. Diese Voraussetzungen sind im Ergebnis gegeben.
a) Hier liegt allerdings die Besonderheit vor, dass das Anerkenntnis unter dem Vorbehalt erklärt wurde, dass Zug um Zug gegen Erteilung der verlangten Löschungsbewilligung die Vertragskosten ersetzt werden, und dass insoweit eine streitige Entscheidung ergangen ist. Ob auch in einer solchen Konstellation die sofortige Beschwerde nach § 99 Abs. 2 ZPO statthaft ist, ist umstritten. Nach wohl überwiegender Ansicht ist das nicht der Fall (OLG München MDR 1992, 184; OLG Düsseldorf MDR 1989, 825; MüKo-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 99 Rn 21; PG/Schneider, ZPO, 7. Aufl., § 99 Rn 14 a.E.; Saenger/Gierl, ZPO, 6. Aufl., § 99 Rn 14). Nach dem Wortlaut der Vorschrift setze die sofortige Beschwerde voraus, dass sich die Hauptsache aufgrund des Anerkenntnisses in qualitativer Hinsicht vollständig erledige. Daran fehle es aber, wenn das Anerkenntnis unter einem Vorbehalt ergehe, über den streitig entschieden worden sei. Die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung solle nur statthaft sein, wenn – aufgrund des Anerkenntnisses – der Kostenpunkt den einzig verbliebenen Streit der Parteien darstelle. Werde aber über einen Vorbehalt streitig entschieden, bestehe die Gefahr, dass mit der Kostenentscheidung auch der Streit über die Hauptsache wieder aufgegriffen werde. Nach der Gegenansicht beruht ein Urteil auch dann auf dem Anerkenntnis, wenn es unter einem Vorbehalt erfolgt, über den streitig entschieden wird (OLG Düsseldorf MDR 1990, 59; BeckOK ZPO/Jaspersen/Wache, 18. Edition, § 99 Rn 19; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 36. Aufl., § 99 Rn 10a; Wieczorek/Schütze/Schmid/Hartmann, ZPO, 4. Aufl., § 99 Rn 13). Ein solches Anerkenntnis liege nicht nur bei einem vorbehaltlosen, sondern auch bei einem Anerkenntnis vor, das vorbehaltlich einer Gegenleistung des Klägers erfolge. Sei die Hauptforderung wegen des Anerkenntnisses...