Leitsatz
- Ein triftiger Grund für den Wechsel des im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts ist dann glaubhaft gemacht, wenn der Beteiligte seinem bisherigen Verfahrensbevollmächtigten vorwirft, ihn zu wahrheitswidrigen Angaben im Rahmen einer gerichtlichen Anhörung gedrängt zu haben.
- Bei Vorliegen eines triftigen Grundes für einen Wechsel des beigeordneten Rechtsanwalts darf die Beiordnung des neuen Rechtsanwalts nicht mit der Beschränkung erfolgen, dass der Landeskasse durch die Beiordnung keine Mehrkosten entstehen dürfen.
OLG Hamm, Beschl. v. 20.10.2015 – 2 WF 146/15
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner die Herausgabe von Schmuck. Der Antragsgegner tritt dem Begehren entgegen.
Auf entsprechenden Antrag hatte das FamG dem Antragsgegner unter Beiordnung seines seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten, des Herrn Rechtsanwalts P (im Folgenden: seinerzeitiger Verfahrensbevollmächtigter), ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Mit Schriftsatz vom 29.4.2015 hat der seinerzeitige Verfahrensbevollmächtigte angezeigt, dass er das Mandat nach Absprache und mit Einverständnis des Antragsgegners niederlege.
Der Antragsgegner hat unter dem 7.5.2015 unter Hinweis auf eine bei der Rechtsanwaltskammer in Hamm eingelegte "Beschwerde" hierzu Stellung genommen. In seiner "Beschwerde" hat er gerügt, dass ihn sein seinerzeitiger Verfahrensbevollmächtigter in einem anderen Verfahren vor dem FamG regelrecht genötigt habe, in der mündlichen Verhandlung vorsätzlich falsche Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem FamG zu machen. Vor der mündlichen Verhandlung habe sein seinerzeitiger Verfahrensbevollmächtigter auf ihn eingewirkt, dass er das sagen solle, was er, sein seinerzeitiger Verfahrensbevollmächtigter, für richtig halte. In der mündlichen Verhandlung habe ihn der seinerzeitige Verfahrensbevollmächtigte bei fast jeder Frage der Vorsitzenden unter dem Tisch gegen sein Bein getreten. Die Frage der Vorsitzenden, ob er ein auf einem Lichtbild abgebildetes Goldstück gesehen habe, habe er, der Antragsgegner, wahrheitswidrig auf Veranlassung des seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten verneint. Als dann das in der Ladungsverfügung des FamG angekündigte Hochzeitsvideo abgespielt worden sei, habe der seinerzeitige Verfahrensbevollmächtigte allein erklärt, dass dies wohl schlecht sei. Er, der Antragsgegner, habe zwei Monate benötigt, um dieses Vorgehen zu verarbeiten. Er sei dann zu seinem seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten gegangen; dieser sei sich keiner Schuld bewusst gewesen und habe ihn darauf verwiesen, sich einen anderen Anwalt zu suchen. Wegen dieses Vorgehens sei das Vertrauensverhältnis zu seinem seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten vollständig zerstört.
Der Antragsgegner hat beantragt, ihm nunmehr ratenfreie Verfahrenskostenhilfe uneingeschränkt unter Beiordnung seines jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen und hat gemeint, dass der seinerzeitige Verfahrensbevollmächtigte für ihn nicht mehr zumutbar gewesen sei. Einer besonderen eidesstattlichen Versicherung bedürfe es nicht.
Das FamG hat dem Antragsgegner ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines jetzigen Verfahrensbevollmächtigten insoweit beigeordnet, als keine Mehrbelastung der Landeskasse entsteht. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antragsgegner die Niederlegung des Mandates mutwillig herbeigeführt habe. Die von diesem behaupteten Einflussnahmen des seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung habe das Gericht ebenso wenig wahrgenommen wie das behauptete Treten des seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten unter den Tisch. Vielmehr sei es so gewesen, dass erhebliche Aggressionen vom Antragsgegner selbst ausgegangen seien und dieser während der Verhandlung kaum im Zaun zu halten gewesen sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner beim FamG eingegangenen sofortigen Beschwerde, soweit die Beiordnung einschränkend mit der Maßgabe erfolgt ist, dass der Landeskasse keine Mehrkosten entstehen. Er rügt, dass der Beschluss über die Ablehnung uneingeschränkter Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Mithin sei seine Beschwerde noch fristgerecht eingelegt. Das FamG habe überdies verkannt, dass er mit seinem Schreiben und dem Verweis auf die entsprechende Beschwerde an die Anwaltskammer hinreichend glaubhaft gemacht habe, dass er unverschuldet seinen seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten habe entpflichten müssen.
Das FamG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die nach den §§ 76 Abs. 2, 111 Nr. 10 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Der Senat geht von der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde aus. Nach dem Akteninhalt ist nicht feststellbar, dass und wann das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.6.2015 zugestellt worden ist. Nach dem Empfangsbekenntnis vom 26.6.2015 ist...