Grundmodell des deutschen Prozessrechtes ist das Zwei-Personen-Streitverhältnis. Das Recht fingiert die Gleichsetzung der juristischen Person mit der natürlichen, eine der größten und erfolgreichsten Abstraktionsleistungen, die seit dem römischen Recht auf uns gekommen sind, und unterstellt damit formale Gleichheit jeden Bürgers, auch des ärmsten Obdachlosen, mit einem DAX- oder Weltkonzern. Als vergleichsweise unbedeutende Abweichung von diesem Grundmodell kommt es auch relativ leicht damit klar, bzw. sind die Fälle übersichtlich und auch in der Rechtspraxis eingespielt geregelt, dass ein Anspruch von mehreren gemeinschaftlich oder gegen mehrere gemeinschaftlich durchgesetzt werden soll. Als "Klassiker" sei genannt, dass mehrere Personen gemeinschaftlich Eigentümer oder Vermieter einer Mietwohnung und/oder mehrere Personen deren Mieter sind; dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls Halter, Fahrer und Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeuges gemeinsam in Anspruch nimmt; überhaupt alle Fälle, wo Gesamtgläubiger- oder Gesamtschuldnerschaft kraft gesetzlicher oder vertraglicher Regelung vorliegt. Auch der Fall der objektiven Anspruchshäufung ist leicht bewältigt, wenn zwischen den nämlichen Personen unterschiedliche Ansprüche geltend gemacht werden sollen, einerlei, ob sie aus einem oder mehreren Rechtsverhältnissen herzuleiten sind.
Nicht gesondert, jedenfalls nicht über Rudimente in § 60 und § 100 ZPO hinausgehend hat der historische Gesetzgeber den Fall bedacht, dass eine Mehr- oder gar Vielzahl verschiedener Personen einen je eigenen Anspruch durchsetzen will, der sich aber stets gegen denselben Schuldner richtet. Das werden häufig, müssen aber nicht, Schadensersatzansprüche sein, in denen aufgrund einer einheitlichen oder aber strukturgleichen Verletzungshandlung Ansprüche je unterschiedlicher Gläubiger ausgelöst werden.
In den letzten Jahrzehnten virulent geworden sein dürfte das Problem erstmals bei "Umweltschäden"; behandelt wird es weiterhin vielfach im Äußerungs-, Persönlichkeits-, Gegendarstellungs- und sonstigen Presserecht sowie in den letzten 15 Jahren massiv in Kapitalanlagesachen. Ist es so, dass ein Finanzprodukt, welcher Art auch immer, unter Begehung schuldhafter Aufklärungspflichtverletzungen vertrieben wird, so löst dies Ansprüche einer Vielzahl von Anlegern/Zeichnern/Treugebern/Gesellschaftern/Anleihegläubigern/… aus, die gegen den oder die Verantwortlichen geltend zu machen sind (aus welcher Rechtsgrundlage, ist für die Fragestellung irrelevant), aber von Personen, denen sie nur "je für sich" und nicht etwa "gemeinschaftlich" zustehen.
Und nun kommen wir zum Punkt: Wegen der hohen Spezialisierung, die bereits die Identifizierung, aber auch die materiell und prozessual erfolgreiche Durchsetzung solcher Ansprüche erfordert, werden regelmäßig mehrere oder gar viele dieser Gläubiger vom selben Anwalt vertreten und wird dieser Anwalt häufig versuchen, nicht zuletzt weil die Verjährungsfristen für die Ansprüche der Betroffenen entweder gleichzeitig oder doch mindestens sehr dicht zueinander ablaufen, diese Ansprüche in einem einzigen Gerichtsverfahren durchzusetzen, in welchem die Betroffenen in aktiver Streitgenossenschaft auftreten und deren jeweilige Ansprüche eine subjektive Klagehäufung darstellen. Zu betrachten, wie die Vergütung des Prozessbevollmächtigten der Streitgenossen in dieser Konstellation richtigerweise zu berechnen ist, ist das Ziel der nachfolgenden Zeilen.
"Naturgemäß" auf Kapitalanlagefälle beschränkt ist die Problematik freilich keineswegs: man denke nur an Massenentlassungen mit korrespondierenden Massen-Kündigungsschutzklagen der Arbeitnehmer, die sich – z.B. – auf die immer gleich begründete Fehlerhaftigkeit des stets gleichen Sozialplanes stützen, an Produkthaftungsfälle – ob Autoteile, Brust-Implantate, Arzneimittel betreffend –, an "strukturgleich" falsche Bescheide der Sozialleistungs- oder der Eingriffsverwaltung an eine Vielzahl von Empfängern wie auch an Unglücksfälle oder Verbrechen mit vielen Opfern auf einen Schlag.