Leitsatz
Zur Wertfestsetzung bei Klagen und Vergleichsregelungen betreffend Arbeitszeugnisse (Änderung der Rspr.).
LAG Düsseldorf, Beschl. v. 15.8.2016 – 4 Ta 437/16
1 Sachverhalt
Mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen die Bewertung der – nicht rechtshängigen – Zeugnisregelung in Nr. 4 des Vergleichs durch das ArbG als Mehrvergleich mit einem halben Bruttomonatsgehalt (= 1.159,00 EUR). Die Regelung lautet:
"Die Beklagte erteilt zum Stichtag 29.2.2016 ein wohlwollendes und qualifiziertes Zeugnis, das in sämtlichen Beurteilungsbestandteilen der Schulnote "gut" oder besser entsprechen wird und die übliche Dankes-, Wunsch- und Bedauernsformel enthalten wird."
Die Beschwerdeführer begehren die Bewertung dieses Regelungspunktes als Mehrvergleich mit einem vollen Bruttomonatseinkommen.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Beschwer gem. § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG erreicht. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
In ihrer bisherigen Rspr. hat die Beschwerdekammer die Klage auf Erteilung oder Berichtigung eines Schlusszeugnisses mit einer vollen (vgl. etwa LAG Düsseldorf 14.7.2011 – 2 Ta 354/11), die auf Erteilung oder Berichtigung eines Zwischenzeugnisses wegen seiner typischerweise geringeren Bedeutung für den Arbeitnehmer mit einer halben Monatsvergütung bewertet (vgl. etwa LAG Düsseldorf v. 25.6.2013 – 2 Ta 291/13). Beides war unabhängig davon, ob und in welchem Umfang eine inhaltliche Ausgestaltung des Zeugnisses verlangt wurde.
Eine Vergleichsregelung des – nicht rechtshängigen – Zeugnisanspruchs wurde differenziert bewertet danach, ob und inwieweit sie den Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt: Für ein qualifiziertes, auch wohlwollendes Schlusszeugnis wurde regelmäßig lediglich ein Titulierungsinteresse von 25 % einer Monatsvergütung angesetzt (vgl. etwa LAG Düsseldorf v. 14.7.2011 – 2 Ta 354/11). Ein qualifiziertes Schlusszeugnis mit Note wurde mit einer halben Monatsvergütung bewertet (LAG Düsseldorf v. 24.2.2015 – 3 Ta 99/15; v. 8.4.2014 – 17 Ta 172/14; v. 2.3.2010 – 6 Ta 31/10), wobei eine Dankes- und Bedauernsregelung nicht erhöhend wirkte (LAG Düsseldorf v. 21.10.2015 – 3 Ta 458/15). Lediglich ein qualifiziertes Schlusszeugnis mit konkreten inhaltlichen Festlegungen oder gem. Entwurf des Arbeitnehmers führte zu einer Bewertung des Mehrvergleichs mit einer vollen Monatsvergütung (LAG Düsseldorf v. 31.3.2016 – 3 Ta 122/16).
Das ArbG hat in Anwendung dieser Rspr. die vergleichsweise Regelung des nicht rechtshängigen Zeugnisanspruchs, die lediglich eine Note und eine übliche Dankes- und Bedauernsformel festlegt, mit einem halben Bruttomonatseinkommen bewertet (LAG Düsseldorf v. 24.2.2015 – 3 Ta 99/15; v. 21.10.2015 – 3 Ta 458/15).
An dieser Rspr. hält die nunmehr zuständige Beschwerdekammer – auch mit Blick auf die Empfehlungen der Streitwertkommission – nicht fest.
Die Unterscheidung von Schluss- und Zwischenzeugnis sowie von Zeugnisregelungen im Vergleich mit Note oder mit weitergehender inhaltlicher Ausgestaltung für die Streitwertbemessung wird für den Regelfall aufgegeben. Beide Unterscheidungen trugen nicht wesentlich zu einer vom Gerechtigkeitsgedanken gebotenen Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Streitwertrechts bei. Dies gilt für das Gebot einer gleichmäßigen Behandlung gleicher Lebenssachverhalte bzw. einer differenzierten Behandlung verschiedenartiger Sachverhalte (Art. 3 Abs. 1 GG) ebenso wie für den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG).
Die Bedeutung von Schluss- und Zwischenzeugnis für den Arbeitnehmer ist etwa in einer konkreten Bewerbungssituation nicht von solchem Unterschied, dass eine unterschiedliche Bewertung unabweisbar wäre. Das Zwischenzeugnis hat gegenüber dem Schlusszeugnis zudem eine eigenständige Bedeutung: der Arbeitgeber, der ein Zwischenzeugnisses erteilt hat, ist an dessen Inhalt grundsätzlich gebunden, wenn er ein Schlusszeugnis ausstellt (BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 248/07, NZA 2008, 298).
Auch die Unterscheidung von vergleichsweisen Zeugnisregelungen, die "nur" eine Note festlegen, von solchen mit konkretem Inhalt zwingt nicht zu einer unterschiedlichen Bemessung des Gegenstandswertes. Die mit der Note umschriebene Bewertung seiner Leistung kann im Einzelfall größere Bedeutung für den Arbeitnehmer haben als etwa die Festlegung einer bestimmten Zeugnispassage.
Hinzu kommt, dass Zeugnisregelungen in großer Zahl und in den unterschiedlichsten Variationen in arbeitsgerichtlichen Verfahren auftreten und ihre – keineswegs offenkundige – Bewertung auch aus Transparenz- und Praktikabilitätsgründen einer zu starken Differenzierung entgegensteht. Zu welchen Auswüchsen dies in der Rspr. der Landesarbeitsgerichte allein bei der Bewertung von Zeugnisregelungen geführt hat, wird von Ziemann, in: Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, 2013, auf ca. 13 Seiten (S. 204–217) anschaulich dargestellt. In dieser Lage bietet der Streitwe...