Leitsatz
Für eine Beschwerde nach § 52 Abs. 4 RVG ist eine Mindestbeschwer nicht erforderlich.
OLG Köln, Beschl. v. 10.2.2017 – 2 Ws 85/17
1 Sachverhalt
Der Antragsteller wurde dem Angeklagten im Rahmen eines Haftverkündungstermins als Pflichtverteidiger beigeordnet. Später bestellte sich eine Wahlverteidigerin. Dieser erteilte der Angeklagte im Haftprüfungstermin eine unwiderrufliche Zustellungs- und Ladungsvollmacht. Nachdem die Wahlverteidigerin anwaltlich versicherte, dass eine Mandatsniederlegung wegen alsbaldiger Mittellosigkeit des Mandanten nicht erfolgen und eine Wahlverteidigung zugesichert werde, nahm das AG die Bestellung des Antragstellers als Pflichtverteidiger zurück. Das Verfahren wurde später aufgrund der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten vorläufig gem. § 205 StPO eingestellt.
Der Antragsteller beantragte daraufhin, die ihm zustehenden Gebühren des gerichtlich bestellten Verteidigers auf 723,82 EUR festzusetzen. Mit Schreiben vom selben Tag hat er zudem beantragt, gem. § 52 Abs. 2 RVG festzustellen, dass der Angeklagte ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts zur Zahlung der gesetzlichen Gebühren eines Wahlverteidigers, die er mit 884,17 EUR beziffert hat, in der Lage ist. Mit Beschluss der Rechtspflegerin des LG sind die dem Antragsteller zu erstattenden Gebühren und Auslagen antragsgemäß auf 723,82 EUR festgesetzt worden. Mit Schreiben vom 10.11.2016 hat der Vorsitzende der großen Strafkammer des LG den Angeklagten und seine Verteidigerin von dem Antrag des Antragstellers in Kenntnis gesetzt und dem Angeklagten eine Frist von einem Monat gesetzt, binnen derer er eine Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Belastungen) mit entsprechenden Belegen vorzulegen habe mit dem Hinweis, dass, sofern die Erklärung nicht innerhalb der gesetzten Frist abgegeben werde, vermutet werde, dass er leistungsfähig i.S.d. gestellten Antrages sei. Hierzu könne er auch ein Formular verwenden, welches zur Beantragung von Prozesskostenhilfe im Zivilprozess verwendet werde. Dieses Schreiben ist der Verteidigerin des Angeklagten am 2.12.2016 zugestellt worden. Mit Faxschreiben, Eingang bei Gericht am 22.12.2016, hat die Verteidigerin vier Jahresendabrechnungen des niederländischen Leistungsträgers für Arbeitnehmerversicherungen für die Jahre 2012–2015 zu den Akten gereicht. Mit Beschl. v. 5.1.2017, der Verteidigerin am 17.1.2017 zugegangen, hat das LG festgestellt, dass der Angeklagte ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts zur Zahlung oder zur Leistung von Raten in der Lage ist. Zur Begründung hat die Strafkammer ausgeführt, dass seine Leistungsfähigkeit zu vermuten sei, da er innerhalb der ihm gesetzten Frist keine aussagekräftigen Erklärungen und Unterlagen im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit zur Akte gereicht habe. Der Angeklagte hat mit Verteidigerschreiben v. 19.1.2017, eingegangen bei Gericht am 23.1.2017, hiergegen "Beschwerde" eingelegt und ausgeführt, dass der Angeklagte intellektuell und sprachlich nicht in der Lage sei, ein deutsches Verfahrenskostenformular auszufüllen. Gleichzeitig hat die Verteidigerin weitere Unterlagen in niederländischer Sprache, die sie nur mit sehr viel Geduld von dem Angeklagten erhalten habe, zur Akte gereicht.
2 Aus den Gründen
Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Gegen die Zulässigkeit der nach § 52 Abs. 4 RVG statthaften und auch im Übrigen gem. §§ 311 Abs. 2, 306 Abs. 1 StPO form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde bestehen auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 304 Abs. 3 StPO im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken. Nach § 304 Abs. 3 StPO ist die Beschwerde gegen Entscheidungen über Kosten und notwendige Auslagen nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Ob diese Vorschrift im Beschwerdeverfahren nach § 52 Abs. 4 RVG überhaupt Anwendung findet, ist streitig (bejahend: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.7.1977 – 2 Ws 156/77, Justiz 1977, 439; Hartmann, KostG, 46. Aufl., § 52 Rn 39; Hartung, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 52 Rn 71; Kremer, in: Riedel/Sußbauer/Schmahl, RVG, 10. Aufl., § 52 Rn 25; verneinend: OLG München, Beschl. v. 5.5.1978 – 2 Ws 264/78, MDR 1978, 779; Stollenwerk, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., § 52 Rn 19; Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 52 Rn 26; Houben, in: Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Aufl., § 52 Rn 8; Kroiß, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 52 Rn 22 (der jedoch mit Verweis auf den bereits am 30.6.2004 außer Kraft getretenen § 304 Abs. 3 S. 2 StPO unzutreffend einen Beschwerdewert von 50,00 EUR annimmt)). Der Senat schließt sich der überzeugend begründeten Auffassung des OLG München an. Die Entscheidung gem. § 52 Abs. 2 RVG ergeht allein über die Leistungsfähigkeit, über die Kosten selbst wird gerade nicht entscheiden. Dies folgt bereits daraus, dass z...