Leitsatz

Das Schadenabwicklungsunternehmen eines Rechtsschutzversicherers i.S.v. § 126 VVG ist nicht vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

BGH, Urt. v. 26.10.2016 – IV ZR 34/16

1 Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes auf Rückzahlung von Umsatzsteuerbeträgen in Anspruch. Zwischen der Klägerin und der W. AG (im Folgenden: Versicherer) bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, aus dem die Klägerin und ihr Ehemann die Beklagte als Schadenabwicklungsunternehmen des Versicherers im Verfahren LG Stuttgart auf Deckung in Anspruch nahmen. Dort ergingen gegen die Klägerin und ihren Ehemann Kostenfestsetzungsbeschlüsse zugunsten der Beklagten, in denen anteilige Umsatzsteuer i.H.v. 608,19 EUR enthalten ist. In zwei weiteren Verfahren (LG Stuttgart, 22 O 461/11 und 22 O 462/11) wandten sich die Klägerin und ihr Ehemann gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Beklagten aus dem Deckungsprozess. In diesen Verfahren ergingen Kostenfestsetzungsbeschlüsse gegen die Klägerin und ihren Ehemann, in denen anteilige Umsatzsteuer i.H.v. 390,06 EUR und i.H.v. von 385,23 EUR enthalten ist.

Die Klägerin leistete die in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen enthaltenen Umsatzsteuerbeträge lediglich unter Vorbehalt. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte sei vorsteuerabzugsberechtigt, weshalb die Umsatzsteuer zu Unrecht festgesetzt und gezahlt worden sei. Das AG hat die auf Rückzahlung von insgesamt 1.383,48 EUR gerichtete Klage abgewiesen. Das LG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie ihren ursprünglichen Klageantrag weiter.

2 Aus den Gründen

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie auf die Berufung der Klägerin zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Umsatzsteuerbeträge zu. Die Beklagte sei gem. § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 10 Buchst. a) UStG nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Zu den steuerfreien Umsätzen gehörten nach § 4 Nr. 10 Buchst. a) UStG Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses i.S.d. Versicherungssteuergesetzes, auch wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der Versicherungssteuer unterliege. Hier sei die Beklagte als Schadenregulierer für den Versicherer aufgetreten. Vom Vorsteuerabzug seien sämtliche Aufwendungen ausgeschlossen, die bei dem Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit dem Gegenstand seiner unternehmerischen Betätigung – der Gewährung von Versicherungsschutz – anfielen. Daher gehörten auch die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts im Deckungsprozess zu den Kosten, die vom Ausschluss des Vorsteuerabzugs erfasst seien. Dies gelte auch im vorliegenden Fall, weil die Beklagte lediglich als gesetzlicher Prozessstandschafter für den Versicherer tätig geworden sei. Insofern könne es für die steuerrechtliche Rechtsnatur der Leistung keinen Unterschied machen, ob der Versicherer selbst in Anspruch genommen worden wäre oder ob aufgrund der Regelung des § 126 Abs. 2 VVG die Beklagte als gesetzlicher Prozessstandschafter passivlegitimiert sei. Zutreffend habe das AG auch die weiteren vor dem LG Stuttgart von der Beklagten gegen die Klägerin und ihren Ehemann geführten Prozesse als "Annex" zu dem Hauptprozess angesehen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Umsatzsteuerbeträge gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, weil die Erstattung der Umsatzsteuer in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen zu Unrecht zugunsten der Beklagten festgesetzt worden ist. Ein derartiger Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung kommt in Betracht, obwohl die Zahlung der Klägerin aufgrund rechtskräftiger Kostenfestsetzungsbeschlüsse erfolgt ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 7.7.2005 – VII ZR 351/03, BGHZ 163, 339, 341 f.; BGH, Urt. v. 17.2.1982 – IVb ZR 657/80, BGHZ 83, 278, 279 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.10.2003 – I-24 U 79/03, JurBüro 2004, 536, 538; ferner OLG Stuttgart Justiz 2000, 340, 341). Im Kostenfestsetzungsverfahren werden materiell-rechtliche Einwände gegen die Berechtigung zur Geltendmachung der Umsatzsteuer grundsätzlich nicht berücksichtigt (Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 91 Rn 13 "Umsatzsteuer").

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte hier vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.

a) Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet hat, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Gem. § 4 Nr. 10 Buchst. a) UStG sind die Leistungen aufgrund eines...

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