FamGKG § 55 Abs. 2; RVG §§ 8, 33 Abs. 1, Abs. 3 S. 3
Leitsatz
- Die Feststellung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG ermöglicht dem antragsberechtigten Rechtsanwalt die Abrechnung seiner in einem Gerichtsverfahren erbrachten Leistungen bereits vor Verfahrensbeendigung und endgültiger Verfahrenswertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG.
- Im Interesse der Gewährung umfassenden Rechtsschutzes ist auch die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags nach § 33 Abs. 1 RVG zulässig.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 7.2.2018 – 13 WF 107/17
1 Sachverhalt
Nach Zurückweisung des Antrags des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat dessen Verfahrensbevollmächtigte die Niederlegung des Mandats angezeigt und eine "vorläufige Streitwertfestsetzung" für die Ehesache sowie die Folgesachen Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich auf insgesamt 22.866,00 EUR beantragt. Diesen Antrag hat das FamG zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine vorläufige Festsetzung des Verfahrenswertes sei allein unter den Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 S. 1 FamGKG erforderlich, die hier aber nicht vorlägen. Hiergegen wendet sich die frühere Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners (im Folgenden Beschwerdeführerin) mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung führt sie aus, der für die Anwaltsgebühren maßgebliche Wert sei auf ihren Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen. Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Beschwerdemöglichkeit gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nicht gegeben sei und dies auch für eine unterbliebene Wertfestsetzung gelte.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist statthaft.
In der Sache begehrt die Beschwerdeführerin eine Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 33 Abs. 1 RVG für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren für ihre Tätigkeit bis zur Niederlegung des Mandats. Dies wird bereits durch die Zitierung dieser Vorschrift in der Beschwerdeschrift deutlich. Gleichwohl hätte auch der – durch das AG zutreffend als unzulässig angesehene – Antrag auf "vorläufige Streitwertfestsetzung" nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung als ein zulässiger Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG behandelt werden müssen. Anders als die Festsetzung eines Streit- bzw. Verfahrenswertes, die primär der Berechnung der Gerichtskosten dient und in diesem Zusammenhang eine die Instanz abschließende gerichtliche Kostenentscheidung voraussetzt, soll die Feststellung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG ausschließlich dazu dienen, dem Rechtsanwalt auf Antrag in dem Fall, dass – wie hier mangels Verfahrensbeendigung – keine (endgültige) Verfahrenswertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG erfolgt, die Abrechnung seiner im Rahmen eines Gerichtsverfahrens erbrachten Leistungen zu ermöglichen. Eine "vorläufige" Festsetzung des Gegenstandswertes gibt es insoweit nicht (vgl. für das verwaltungsgerichtliche Verfahren OVG Münster, Beschl. v. 16.6.2014 – 12 E 625/14, juris).
Die Wertfestsetzung wird hier für ein gerichtliches Verfahren i.S.v. § 33 Abs. 1 RVG begehrt. Zwar hat die Beschwerdeführerin das Mandat niedergelegt, nachdem ihrem Mandanten die beantragte Verfahrenskostenhilfe versagt wurde. Gleichwohl stellt auch das Prozesskosten- bzw. Verfahrenskostenhilfeverfahren ein selbstständiges Verfahren im kostenrechtlichen Sinne dar, für welches das RVG in Nr. 3335 VV einen eigenständigen Gebührentatbestand vorsieht.
Ferner ist der Antrag zulässig i.S.v. § 33 Abs. 2 S. 1 RVG, da die Vergütung der Beschwerdeführerin fällig ist. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG wird der durch Vornahme einer gebührenpflichtigen Tätigkeit begründete Vergütungsanspruch fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Eine die Fälligkeit auslösende Erledigung des Auftrags tritt insbesondere bei Beendigung des Mandats ein, wobei auch eine – hier dem AG durch Schreiben vom 18.7.2017 angezeigte – Niederlegung des Mandats eine derartige Beendigung darstellt (vgl. nur Hartmann, KostG, 47. Aufl., 2017, § 8 RVG Rn 8 m.w.N.).
Im Interesse der Gewährung umfassenden Rechtsschutzes ist auch die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags nach § 33 Abs. 1 RVG zulässig. Ferner ist das Rechtsmittel binnen der zweiwöchigen Frist nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt worden.
Die Beschwerde ist mangels einer Wertfestsetzung durch das AG auch begründet. Aufgrund der in den Akten enthaltenen Informationen ist der Wert für die Rechtsanwaltsgebühren der Beschwerdeführerin gem. § 33 Abs. 1 RVG wie folgt festzusetzen:
Ehesache (§ 43 FamGKG): |
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(1.400,00 EUR + 1.250,00 EUR) x 3 = |
7.950,00 EUR |
Versorgungsausgleich |
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(§ 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG): |
1.000,00 EUR |
Zugewinnausgleich (§ 38 FamGKG, Stufenverfahren, |
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vgl. Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 3 "Stufenklage"): |
12.866,00 EUR |
Verfahrenswert für das |
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Verbundverfahren: |
21.816,00 EUR |
3 Anmerkung
In der Praxis wird zwischen dem Verfahren auf Festsetzung des Verfahrenswerts und dem Ver...