BGB §§ 249, 254; RVG § 23; RVG VV Nr. 2300
Leitsatz
- Der Berechnung des für die ersatzfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten maßgeblichen Gegenstandswerts ist auch dann nur die letztlich objektiv berechtigte Schadensersatzforderung zugrunde zu legen, wenn der Geschädigte die Reparaturkosten fiktiv auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Gutachtens abrechnet und ihn der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer sodann mit Erfolg auf eine ohne weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweist (Fortführung Senatsurt. v. 5.12.2017 – VI ZR 24/17 Rn 5 ff.).
- Unerheblich ist insoweit, ob der Verweis vor oder nach der Beauftragung des Rechtsanwalts oder Geltendma chung des Anspruchs erfolgt und ob der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts davon ausgegangen ist und ausgehen durfte, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet (Fortführung Senatsurt. v. 5.12.2017 – VI ZR 24/17 Rn 5 ff.).
BGH, Urt. v. 9.1.2018 – VI ZR 82/17
1 Sachverhalt
Der Pkw des Klägers wurde bei einem Verkehrsunfall im April 2015 beschädigt. Für den dem Kläger dabei entstandenen Schaden hat die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners dem Grunde nach voll einzustehen. Der Kläger holte ein Sachverständigengutachten über die an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden ein. In diesem wurden die für eine sach- und fachgerechte Reparatur der unfallbedingten Schäden notwendigen Kosten mit einem Nettobetrag von 1.209,00 EUR ausgewiesen. Für die Erstattung des Gutachtens wurden dem Kläger 491,47 EUR brutto in Rechnung gestellt.
Im Mai 2015 wandte sich der Kläger mit anwaltlichem Schreiben an die Beklagte und forderte diese auf, ihm als "Reparaturkostenaufwand/netto" 1.209,00 EUR sowie eine Unfallnebenkostenpauschale von 20,00 EUR zu bezahlen und die Rechnung des Sachverständigen direkt diesem gegenüber zum Ausgleich zu bringen. Ihre eigenen Kosten berechneten die vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 1.720,47 EUR mit brutto 255,85 EUR und baten die Beklagte, die entsprechende Kostenrechnung ihnen gegenüber auszugleichen.
Die Beklagte verwies den Kläger auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit und erstattete ihm lediglich 754,51 EUR an Reparaturkosten; gegen die damit vorgenommene Kürzung der von ihm zunächst verlangten Reparaturkosten wandte sich der Kläger nicht. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten sah die Beklagte nur i.H.v. 397,00 EUR als ersatzfähig an. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erstattete sie dem Kläger schließlich nach einem Gegenstandswert von 1.171,51 EUR mit 201,71 EUR.
Mit seiner Klage hat der Kläger ursprünglich den Ersatz weiterer Sachverständigenkosten von 94,47 EUR sowie weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 54,14 EUR verlangt. Das AG hat die Beklagte dazu verurteilt, den Kläger von weiteren Sachverständigenkosten i.H.v. 32,26 EUR freizuhalten, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LG das amtsgerichtliche Urteil insoweit abgeändert, als es die Beklagte zur Freistellung des Klägers von den weiteren Sachverständigenkosten i.H.v. 59,21 EUR verurteilt hat; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich der Kläger alleine gegen die Zurückweisung seiner Berufung in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
2 Aus den Gründen
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne die Freihaltung von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht verlangen. Die Beklagte habe mit der Zahlung von 201,71 EUR die ersatzfähigen Rechtsanwaltskosten vollständig ausgeglichen. Der Geschädigte könne Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nur insoweit verlangen, als seine (Haupt-)Forderung dem Schädiger gegenüber bestehe. Denn Kosten, die dadurch entstünden, dass der Geschädigte seinen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftrage, könnten dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden. Im Streitfall sei danach für die Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf einen Gegenstandswert von bis zu 1.500,00 EUR abzustellen, wobei die Reparaturkosten mit dem vom Kläger akzeptierten Betrag von 754,41 EUR zu beziffern seien. Dass der Kläger auf der Grundlage des von ihm eingeholten Schadensgutachtens im Zeitpunkt der Anmeldung seiner Forderungen gegenüber der Beklagten von Reparaturkosten i.H.v. netto 1.209,00 EUR ausgegangen sei, sei unerheblich. Denn der für den Kostenerstattungsanspruch maßgebliche Gegenstandswert richte sich nicht nach dem Betrag, der aus Sicht des Geschädigten zur Zeit der Anmeldung vernünftigerweise vertretbar gewesen sei. Soweit der Kläger einwende, dadurch, dass ihn die Beklagte nach der Beauftragung seiner Rechtsanwälte und nach der Anmeldung sein...