RVG VV Nr. 4141; StPO § 154
Leitsatz
Die Zusätzliche Gebühr entsteht auch dann, wenn der Verteidiger innerhalb einer gesetzlichen Stellungnahmefrist die Zustimmung zur Einstellung erklärt, das Gericht aber unter Missachtung der Frist bereits zuvor die Einstellung beschließt.
AG Waldbröl, Beschl. v. 8.12.2017 – 40 Ds-225 Js 335/16-210/16
1 Sachverhalt
Nachdem bereits ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden hatte, wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt, um weitere umfangreiche polizeiliche Nachermittlungen durchzuführen. Nach deren Abschluss beantragte die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens gem. § 154 StPO. Dieser Antrag wurde dem Pflichtverteidiger formlos übermittelt mit der Verfügung:
"Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von zehn Tagen nach Zugang dieses Schreibens."
Dieses Schreiben ging aufgrund unerwartet langer Postlaufzeit erst spät beim Verteidiger ein. Er erklärte daraufhin innerhalb der gesetzten Frist seine Zustimmung. Zwischenzeitlich hatte das Gericht allerdings schon die Einstellung beschlossen und die Kosten der Staatskasse auferlegt; von der Auferlegung der dem Angeklagten entstandenen Auslagen zu Lasten der Staatskasse hat das Gericht gem. § 467 Abs. 4 StPO abgesehen. Der Urkundsbeamte hat daraufhin die angemeldete Zusätzliche Gebühr abgesetzt, da die Mitwirkung des Verteidigers nicht ursächlich gewesen sei. Die dagegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Das Rechtsmittel der (Rechtspfleger-)Erinnerung gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG ist zulässig, da der Beschwerdewert unter 200,00 EUR liegt. Auch in der Sache hat es Erfolg.
Da nach der Hauptverhandlung vom 10.11.2016 das Verfahren ausgesetzt wurde, konnte die Gebühr Nr. 4141 VV grundsätzlich noch anfallen (vgl. BGH NJW 2011, 3166).
Nach der Anm. Abs. 2 zu Nr. 4141 VV soll der Rechtsanwalt die Zusatzgebühr nicht erhalten, wenn ein Beitrag zur Förderung des Verfahrens nicht ersichtlich ist (vgl. dazu und zum Folgenden Kroiß, in: Mayer/Kroiß, 7. Aufl., 2018, RVG VV 4141, Rn 14). An das Maß der Mitwirkung dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Weitergehende Anforderung an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwendigen anwaltlichen Mitwirkung, bestehen nicht.
Hier wurde der Verteidiger zu einer beabsichtigten Einstellung nach § 154 StPO angehört, da eine dem Angeklagten nachteilige Kostenentscheidung getroffen werden sollte (vgl. Meyer-Goßner, § 154 StPO, Rn 16; OLG Oldenburg StraFO 2010, 352). Dessen Zustimmung war allerdings nicht erforderlich.
Indem er (nach nochmals erfolgter Akteneinsicht) schriftsätzlich angeregt hat, das Verfahren einzustellen, hat der Verteidiger das Verfahren gefördert.
Dass seine Tätigkeit nicht ursächlich für die Einstellung war, ist insoweit ohne Relevanz (vgl. Burhoff, 4. Aufl., 2014, VV 4141, Rn 18; N. Schneider, in: Schneider/Wolf, 8. Aufl., 2017, RVG VV 4141, Rn 42; LG Bonn, Beschl. v. 27.10.2005 – 37 Qs 47/05 [unveröffentlicht]). Der Umstand, dass das Verfahren auch ohne sein Zutun ohnehin eingestellt worden wäre, ist hingegen grundsätzlich unerheblich (vgl. N. Schneider, in: Schneider/Wolf, VV 4141, Rn 11).
Etwas anderes kann auch im hiesigen Fall nicht gelten, in dem das Verfahren objektiv ohne Zutun des Verteidigers bereits eingestellt worden war, da das Gericht die gesetzte Stellungnahmefrist versehentlich (aufgrund unerwartet langer Postlaufzeit des Anhörungsschreibens) nicht vollständig abgewartet hat. Es wäre willkürlich, wenn man den Vergütungsanspruch des Verteidigers für eine objektiv erbrachte Tätigkeit nur deshalb ablehnen würde, weil das Gericht bereits zuvor, ohne eine gesetzte Frist abzuwarten, das Verfahren eingestellt hat.
Mitgeteilt von RiAG Carsten Becker, Waldbröl
AGS 3/2018, S. 119