Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG ist gem. § 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG kraft ausdrücklicher Zulassung zulässig und begründet. Mit Erfolg wendet sich die weitere Beschwerde gegen die im Ergebnis erfolgte Absetzung der zur Festsetzung angemeldeten Reisekosten des Antragstellers in Höhe von 61,88 EUR. Diesbezüglich beruht die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf einem Rechtsfehler.
Der Vergütungsanspruch des Antragstellers folgt aus dem gem. § 48 Abs. 1 RVG maßgeblichen Beiordnungsbeschluss, der keine Einschränkung der Beiordnung "zu den Bedingungen eines am Ort des hiesigen Gerichts niedergelassenen Rechtsanwalts" enthält. Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Anwalts bestimmt sich gem. § 48 RVG nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Der Beiordnungs- und Bewilligungsbeschluss ist als Kostengrundentscheidung bindend und einer materiell-rechtlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 121 Rn 13a, 42).
Grundsätzlich kann ein Anwalt auch im Rahmen der Prozesskostenhilfe diejenigen Mehrkosten erstattet verlangen, die dadurch entstehen, dass er seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht oder eine auswärtige Abteilung dieses Gerichts befindet; dies folgt aus dem Wegfall von § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO. Vorliegend sind die angegebenen Reisekosten auch für eine Geschäftsreise i.S.d. Vorbem. 7 Abs. 2 VV entstanden. Eine solche liegt nach dem Gesetz vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet.
1. Die Beteiligten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens haben insoweit unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des Begriffs "oder". Der Antragsteller versteht dies alternativ, so dass eine Geschäftsreise dann vorliegt, wenn das Prozessgericht entweder außerhalb der Kanzleigemeinde oder außerhalb der Wohngemeinde liegt. Die Landeskasse und ihm folgend das Beschwerdegericht verstehen dies kumulativ und gelangen zu dem Ergebnis, dass eine Geschäftsreise nur dann vorliegt, wenn das Prozessgericht sowohl außerhalb der Kanzleigemeinde als auch außerhalb der Wohngemeinde liegt.
a) Die Grundsätze der deutschen Grammatik sprechen für die vom Antragsteller vertretene Ansicht. Danach drückt "oder" aus, dass es zwei (oder mehr) Möglichkeiten, Alternativen geben kann. Kann nur eine der Alternativen zutreffen, spricht man vom ausschließenden (exclusiven) "Oder", das Verb erscheint im Singular. Können alle angegebenen Möglichkeiten zutreffen, spricht man vom einschließenden (inclusiven) "Oder" (vgl. Duden, Deutsche Grammatik, 4. Aufl., Rn 439, 504). Eine Bedeutung dahingehend, dass alle angegebenen Möglichkeiten (kumulativ) zutreffen müssen, kann allenfalls im Falle einer verneinenden Oder-Verknüpfung in Betracht kommen (aus "nicht A oder nicht B" wird "nicht (A und B)"). Eine solche Verneinung liegt hier aber nicht vor, vielmehr ist Vorbem. 7 Abs. 2 VV positiv formuliert ("Gemeinde, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung … befindet"). Die Verwendung des Verbs im Singular ("befindet") indiziert, dass es sich um ein exklusives "oder" handelt, was damit im Einklang steht, dass der Rechtsanwalt logischerweise nur entweder von seiner Kanzlei oder von seiner Wohnung aus angereist sein kann.
b) Aus der Entstehungsgeschichte lässt sich keine abweichende Bedeutung herleiten. Hier erfolgte eine Definition der Geschäftsreise erstmals in § 28 Abs. 1 S. 2 BRAGO in der ab 1.7.1994 geltenden Fassung (aufgrund Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 v. 24.6.1994, BGBl I 1994, Nr. 38 v. 29.6.1994, S. 1325). Hierdurch sollte ausweislich der Gesetzesbegründung die in Rspr. und Lit. zum Teil unterschiedlich beantwortete Frage, wann eine Geschäftsreise vorliegt, nunmehr eindeutig geregelt werden (vgl. Gesetzentwurf Bundesregierung v. 5.11.1993, Drucks. 769/93, S. 273). Bis dato war umstritten, ob für die Geschäftsreise allein die Zurücklegung einer größeren Entfernung zwischen Ausgangspunkt und Ziel bestimmend sein soll, oder ob unabhängig von der Entfernung entscheidend sein soll, dass der Rechtsanwalt sich an einen Ort begibt, der außerhalb der politischen Gemeindegrenzen seines Wohn- bzw. Kanzleisitzes gelegen ist, oder ob der Rechtsanwalt die Gemeindegrenzen seines Wohn- bzw. Kanzleisitzes überschreiten, eine größere Entfernung zurücklegen und zwischen Ausgangspunkt und Ziel nach der Verkehrsauffassung eine Reise stattfinden muss (vgl. hierzu OLG Düsseldorf JurBüro 1990, 862 m.w.N.).
Aus dem Wegfall der Wohnsitzpflicht folgt ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Die Pflicht des Rechtsanwalts, innerhalb des Oberlandesgerichtsbezirks, in dem er zugelassen ist, seinen Wohnsitz zu nehmen (§ 27 Abs. 1 BRAGO in der bis zum 9.9.1994 gültigen Fassung), ist aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte v. 2.9.1994 (BGBl Teil I 1994 Nr. 59 v. 8.9.1994, S. 2278) mi...