SGG §§ 73a, 86a, 86b RVG VV Nrn. 3204, 3515
Leitsatz
Die Vergütung des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht gegen den Beschluss des Sozialgerichts im einstweiligen Anordnungsverfahren richtet sich nicht nach dem Gebührentatbestand der Nr. 3204 VV, sondern nach dem Gebührentatbestand der Nr. 3501 VV.
LSG Hessen, Beschl. v. 5.4.2011 – L 2 SF 205/10 E
1 Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin war der bedürftigen Partei im Wege der Prozesskostenhilfe in einem Beschwerdeverfahren gegen eine vom SG ausgesprochene einstweilige Anordnung beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte sie die Festsetzung. Dabei berechnete sie eine Verfahrensgebühr nach der Nr. 3204 VV in Höhe von 570,00 EUR. Die Urkundsbeamtin reduzierte die Rechnung auf 522,00 EUR. Bei der Berechnung der Gebühr legte sie die Nr. 3204 VV zugrunde und hielt in diesem Zusammenhang eine Gebühr von 430,00 EUR für angemessen, ausgehend von der Mittelgebühr des Gebührenrahmens und einer merklich über dem Durchschnitt liegenden Angelegenheit.
Gegen die Gebührenfestsetzung der Urkundsbeamtin legten sowohl die Antragstellerin wie auch der Antragsgegner Erinnerung ein. Daraufhin setzte das SG die Vergütung für das Verfahren auf insgesamt 382,80 EUR fest. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im Wesentlichen aus, dass für die Beschwerdesache des Eilverfahrens die Gebühr nach Nr. 3204 VV anzusetzen sei. Denn wenn in der ersten Instanz für ein Eilverfahren die allgemeine Prozessgebühr der Nr. 3102 VV angesetzt werde, also eine allgemeine Verfahrensgebühr herangezogen werde, sei nicht zu erkennen, weshalb die Fortsetzung des Verfahrens in der II. Instanz plötzlich keine allgemeine Verfahrensgebühr mehr auslösen solle. Die Heranziehung der Nr. 3501 VV erscheine verfehlt. Beschwerden und Erinnerungen im Regelungszusammenhang des Teil 3 Abschnitt 5 VV beträfen Neben- und Zwischenverfahren, nicht aber Hauptverfahren. Die formaljuristische Anwendung dieser Tarifstelle durch die Rspr. verkenne die besondere Bedeutung des gerichtlichen Eilrechtsschutzes im Sozialrecht, zu der auch eine angemessene anwaltliche Vergütung gehöre. Vorliegend sei die Mittelgebühr von 310,00 EUR anzusetzen.
Das SG ließ die Beschwerde gegen den Beschluss zu, worauf sowohl die Rechtsanwältin als auch die Landeskasse Beschwerde einlegten.
Die Antragstellerin hält an ihrer Kostenrechnung fest. Der Ansatz der Höchstgebühr nach der Nr. 3204 VV sei angemessen.
Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, für die Vergütung der Tätigkeit im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei nicht der Betragsrahmen nach Nr. 3204 VV zugrunde zu legen. Vielmehr komme der Vertragsrahmen nach der Nr. 3501 VV zur Anwendung. Dies werde auch in kostenrechtlichen Entscheidungen anderer Landessozialgerichte so gesehen. Die Ausführungen des SG unter Bezugnahme auf die Gebührenpraxis nach der BRAGO seien nicht überzeugend. Auch der vom SG aus der geltenden Regelung im RVG gezogene Rückschluss, wenn für die erste Instanz die allgemeine Verfahrensgebühr herangezogen werden solle, müsse dies zwangsläufig auch für die Rechtsmittelinstanz gelten, sei nicht zwingend. Es fehle ein klarer Regelungsansatz im Gesetz, in welcher Weise die typischen Gegebenheiten eines sozialrechtlichen Eilverfahrens vor dem SG im Verhältnis zu einem Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) zu gewichten und in das Bewertungsgefüge des § 14 Abs. 1 RVG anzupassen sei. Das LSG habe hier ein grundsätzliches Abstandsgebot für die Gebührenbemessung im Eilverfahren gegenüber der Gebührenbemessung im Klageverfahren erkannt und entschieden, dass insoweit nicht die Mittelgebühr des Gebührenrahmens, sondern ein Betrag von zwei Dritteln des Mittelwertes angemessen seien. Für das Rechtsmittelverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Beschwerdesache vor dem LSG sei der Betragsrahmen nach der Nr. 3501 VV anzuwenden. Zwar werde hieraus kein Präjudiz für die vorliegende Entscheidung getroffen, da Gegenstand des seinerzeitigen Beschlusses die Rechtsanwaltsgebühren eines Eilverfahrens erster Instanz gewesen seien. Der Hinweis auf die Nr. 35015 VV gebe zumindest einen Fingerzeig, dass die Anwendung ernsthaft in Betracht zu ziehen und nicht abwegig sei. Bei Berücksichtigung der Nr. 3501 VV sei die Gebühr nach der Obergrenze des Gebührenrahmens festzusetzen im Hinblick auf die Wertigkeit sonstiger Beschwerde- oder Erinnerungsverfahren im Verhältnis zur vorliegenden Eilsache. Höchstvorsorglich werde vorgetragen, dass im Falle der Anwendung der Nr. 3204 VV eine andere Bewertung Platz greife und keineswegs von der Rahmenhöchstgebühr ausgegangen werden könne. In einem solchen Fall müsse sich das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit den Verhältnissen eines durchschnittlichen Berufungsverfahrens in der Hauptsache vergleichen lassen, es sei der gebotene Abstand zur Wertigkeit eines gleichartigen Hauptsacheverfahrens auf andere Weise herzustellen.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerden sind zulässig und fristgerecht eingelegt worden, jedoch...