ZPO § 3
Leitsatz
Der Wert einer Berufung gegen die Verurteilung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zum Umfang des Nachlasses richtet sich grundsätzlich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der für den Schuldner mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verbunden ist. Soweit es erforderlich ist, dazu anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sind die dadurch anfallenden Rechtsanwaltskosten hinzuzurechnen.
BGH, Urt. v. 27.2.2013 – IV ZR 42/11
1 Sachverhalt
Die Klägerin macht im Wege einer Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Beklagte geltend und nimmt diese in der zweiten Stufe auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in Anspruch.
Die Parteien sind Schwestern und neben zwei Brüdern Abkömmlinge ihres am 18.6.2003 verstorbenen Vaters, dessen Erbin die Beklagte ist. Die Klägerin hat zunächst Auskunft über den Bestand und den Wert des Nachlasses begehrt. Die Beklagte hatte vorprozessual Auskünfte erteilt, welche die Klägerin für nicht ausreichend hält.
Das LG hat die Klage bezüglich des Auskunftsbegehrens sowie die auf Verurteilung der Klägerin zur Auskunft über Zuwendungen und Schenkungen gerichtete Widerklage der Beklagten zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin eine durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedingte Berufung eingelegt. Das OLG hat das Prozesskostenhilfegesuch zurückgewiesen.
Das LG hat die Beklagte durch Teilurteil antragsgemäß verurteilt, "an Eides statt zu versichern, dass die von ihr erteilten Auskünfte über den Bestand des Nachlasses sowie erhaltener Schenkungen bzw. Zuwendungen des Erblassers vollständig und richtig sind".
Das OLG hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der – vom Einzelrichter zugelassenen – Revision.
2 Aus den Gründen
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach dessen Auffassung übersteigt der Wert der mit der Berufung geltend gemachten Beschwer nicht gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO den Betrag von 600,00 EUR. Entscheidend sei der Aufwand an Zeit und Kosten, der durch das nochmalige Überprüfen der erteilten Auskunft auf Vollständigkeit entstehe und entsprechend gem. § 22 S. 1 JVEG mit höchstens 17,00 EUR pro Stunde bewertet werden könne. Der Zeitaufwand der Beklagten sei mit höchstens 200,00 EUR anzusetzen. Kosten für weitere umfangreiche Rechercheaufträge seien nicht zu berücksichtigen. Die Beklagte müsse lediglich die bereits getätigten Angaben noch einmal durchsehen und bestätigen. Von ihr werde keine Neuerteilung der Auskünfte verlangt, sondern allenfalls deren Ergänzung. Die Beklagte sei bereits im Auskunftsverfahren anwaltlich vertreten gewesen, so dass keine Notwendigkeit für eine erneute anwaltliche Beratung vor und bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ersichtlich sei. Auch wenn die Beklagte die eidesstattliche Versicherung nicht abgeben wolle, übersteige der Wert der Beschwer 600,00 EUR nicht.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Zulassung der Revision durch den Einzelrichter führt entgegen der Ansicht der Revision nicht wegen Verstoßes gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) zur Aufhebung des Berufungsurteils. Der Einzelrichter ist im Berufungsverfahren nach § 526 Abs. 1 ZPO erst nach Übertragung des Rechtsstreits durch das Kollegium zur Entscheidung berufen. Er darf – und muss – die Sache, wenn er ihre grundsätzliche Bedeutung bejaht, nach § 526 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO dem Kollegium zur Entscheidung über eine Übernahme vorlegen, wenn sich die grundsätzliche Bedeutung aus einer "wesentlichen Änderung der Prozesslage" ergibt, also nicht schon dann, wenn er sie anders als das Kollegium von vornherein als grundsätzlich ansieht (BGH, Urt. v. 16.7.7.2003 – VIII ZR 286/02, NJW 2003, 2900).
2. Das Berufungsurteil ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil der Einzelrichter die Berufung als unzulässig verworfen hat. Die Zuständigkeit des Berufungsgerichts insgesamt ist nach § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO nur für die Verwerfung im Beschlusswege zwingend vorgesehen, die gem. § 523 Abs. 1 S. 1 ZPO der Entscheidung, ob der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen wird, vorhergeht. Dieser tritt nach § 526 Abs. 1 ZPO vollständig an die Stelle des Kollegiums. Er ist für die Entscheidung des Rechtsstreits insgesamt und damit auch für die Verwerfung der Berufung durch Endurteil zuständig (BGH, Urt. v. 4.4.2012 – III ZR 75/11, NJW-RR 2012, 702 m.w.N.).
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR nicht übersteige.
a) Soweit das Rechtsmittelinteresse – wie hier – gem. den §§ 2, 3 ZPO festzusetzen ist, kann die Bewertung durch das Berufungsgericht im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Berufungsgericht maß...