RVG § 15 VV RVG Nr. 3201 VwGO §§ 124a Abs. 4, 146 Abs. 3, 151, 165, 173 ZPO §§ 2, 5

Leitsatz

  1. Das Berufungsverfahren ist gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren eine eigene Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 S. 2 RVG. Es beginnt für den Anwalt des Berufungsklägers auch mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung und für den Anwalt des Berufungsklägers mit dem ersten auftragsgemäßen Tätigwerden nach Entgegennahme der gegnerischen Berufung. Dies gilt auch für den Prozessbevollmächtigten eines Beigeladenen.
  2. Nimmt der Prozessbevollmächtigte eine gegen seinen Mandanten gerichtete Rechtsmittelschrift entgegen, ist anzunehmen, dass er anschließend prüft, ob etwas für den Mandanten zu veranlassen ist. Damit entfaltet er eine Tätigkeit, die bereits die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV zum Entstehen bringt; die Einreichung eines Schriftsatzes ist hierfür nicht erforderlich. Zugleich liegt in dieser Tätigkeit keine bloße Neben- bzw. Abwicklungstätigkeit der erstinstanzlichen Beauftragung gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG vor.
  3. Der erforderliche entsprechende Prozessauftrag wird vermutet, wenn der Anwalt bereits erstinstanzlich mit der Prozessvertretung beauftragt war, und das Berufungsverfahren eine erneute anwaltliche Vertretung gebietet.

OVG Magdeburg, Beschl. v. 18.10.2012 – 2 O 150/11

1 Aus den Gründen

Der angefochtene Beschluss ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Berufungsverfahren zulasten der Kläger eine anwaltliche 1,1-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 VV sowie eine Pauschale nach Nr. 7002 VV zu erstatten ist.

Nach § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Anfang bis zur Erledigung der Angelegenheit. Das Berufungsverfahren ist gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren eine eigene Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 S. 2 RVG. Es beginnt für den Anwalt des Berufungsklägers mit Einlegung der Berufung oder dem Antrag auf Zulassung der Berufung, auch wenn dieser vor dem Ausgangsgericht zu stellen ist, wie im Fall des § 124a Abs. 4 VwGO. Für den Anwalt des Berufungsbeklagten beginnt es mit dem ersten auftragsgemäßen Tätigwerden nach Entgegennahme der gegnerischen Berufung bzw. der Entgegennahme des Antrags auf Zulassung der Berufung im Falle des § 124a Abs. 4 VwGO. Dies gilt auch für den Prozessbevollmächtigten eines notwendig Beigeladenen.

Nimmt der Prozessbevollmächtigte eine gegen seinen Mandanten gerichtete Rechtsmittelschrift entgegen, ist anzunehmen, dass er anschließend prüft, ob etwas für den Mandanten zu veranlassen ist. Damit entfaltet er eine Tätigkeit, die bereits die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV zum Entstehen bringt; die Einreichung eines Schriftsatzes ist hierfür nicht erforderlich. Der Beigeladene kann die Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten von den Klägern verlangen, denn es handelt sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung (§ 173 VwGO, § 91 ZPO). Nach Einlegung der Berufung durch den Prozessgegner kann eine Partei regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zu ihrer Rechtsverteidigung erforderlich und sachgerecht zu veranlassen ist (vgl. OLG Naumbug, Beschl. v. 18.1.2012 – 10 W 67/11 m.w.N.).

Zugleich liegt in dieser Tätigkeit keine bloße Neben- bzw. Abwicklungstätigkeit der erstinstanzlichen Beauftragung gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG vor (vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, 6. Aufl. Rn 4, 5; vor VV 3200 ff.; KG, Beschl. v. 21.1.2009 – 2 W 57/08; BGH, Beschl. v. 6.4.2005 – X ZB 9/02; a.A. VG Augsburg, Beschl. v. 25.5.2012 – Au 4 M 12.598). Allerdings bedurfte es zusätzlich eines entsprechenden Prozessauftrags, dessen Erteilung die Kläger in Abrede stellen. Der Senat hat indes davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen mit der Erbringung anwaltlicher Leistungen in zweiter Instanz beauftragt wurde. Ein derartiger Auftrag erschließt sich nämlich aus den Umständen. Er wird vermutet, weil der Anwalt bereits erstinstanzlich mit der Prozessvertretung der Beigeladenen beauftragt war und das Berufungsverfahren eine erneute anwaltliche Vertretung gebot (so auch OLG Koblenz, Beschl. v. 6.8.2007 – 14 W 578/07 m.w.N.). Dies ist auch deshalb naheliegend, weil der Prozessbevollmächtigte – wie vorliegend – für seine Mandantschaft einen positiven Prozessausgang in der ersten Instanz erstritten hat (vgl. KG, Beschl. v. 21.1.2009, a.a.O.).

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