RVG § 14
Leitsatz
Im Vergütungsrechtsstreit zwischen Anwalt und Auftraggeber hat das Gericht – nach Einholung eines Gutachtens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer – selbstständig über die Höhe der angemessenen Vergütung bei Rahmengebühren zu entscheiden. Eine Bindungswirkung an eine zuvor ergangene Entscheidung in einem Kostenfestsetzungsverfahren besteht nicht.
AG Dresden, Beschl. v. 12.4.2012 – 116 C 7655/11
1 Sachverhalt
Der klagende Anwalt verlangt vom Beklagten Zahlung seiner Vergütung aus einem sozialgerichtlichen Verfahren, in dem er dem Beklagten erfolgreich vertreten hatte.
Der Mandant war rechtsschutzversichert. Der Rechtschutzversicherer hatte entsprechende Vorschüsse geleistet. Er verlangt nunmehr Rückzahlung des danach zu viel gezahlten Betrags.
Der Anwalt hatte zunächst im Namen des Beklagten die angefallenen Anwaltskosten zur Festsetzung angemeldet. Das SG hat allerdings bestandskräftig einen Teil der Gebühren abgesetzt, da es nur geringere Gebühren für erstattungsfähig hielt. Den über die Kostenerstattung hinausgehenden Vergütungsanspruch machte der Anwalt nunmehr in diesem Verfahren geltend.
Der Beklagte beruft sich darauf, es seien nur die Gebühren in der Höhe angefallen, wie sie festgesetzt seien. Abgesehen davon bestehe eine Bindungswirkung. An die Höhe der festgesetzten Kosten sei der Kläger auch im Verhältnis zum Beklagten gebunden. Daher sei die Klage ohne Einholung eines Gutachtens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer abzuweisen.
Das Gericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat einen Beschluss erlassen, wonach ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen ist.
2 Aus den Gründen
Über die Höhe der der Klägerin zustehenden Gebühr ist im vorliegenden Verfahren unabhängig vom Kostenfestsetzungsverfahren beim SG zu entscheiden. Das sozialgerichtliche Kostenfestsetzungsverfahren entfaltet für das vorliegende Verfahren keine Bindungswirkung (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 11 Rn 6; Hartmann, KostG, 41. Aufl., § 11 Rn 3). Im vorliegenden Verfahren geht es um den Gebührenanspruch der Beklagten gegenüber ihrem Mandanten, dem Versicherungsnehmer der Klägerin. Im Kostenfestsetzungsverfahren geht es hingegen um den Erstattungsanspruch gegenüber dem Prozessgegner.
Soweit das LG Aachen in der von der Klägerin zitierten Entscheidung vom 28.10.2008 (7 S 85/08) zu einer Bindungswirkung gelangt, liegen die dort zugrunde gelegten Annahmen hier nicht vor. Das LG Aachen geht davon aus, dass dem Mandanten hinsichtlich eines den Betrag der Kostenfestsetzung gegebenenfalls übersteigenden Honoraranspruch ein Schadensersatzanspruch in entsprechender Höhe zusteht, wenn der Anwalt den "unrichtigen" Kostenfestsetzungsbeschluss nicht mit den zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen angreift. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des SG wurde erfolglos Erinnerung eingelegt.
Ein Gutachten nach § 14 Abs. 2 RVG ist einzuholen, wenn der Rechtsanwalt und sein Madant bzw. dessen Rechtsnachfolger über die Angemessenheit der Gebührenhöhe streiten. Die Klägerin macht den mit der Klage verfolgten Anspruch als Rechtsnachfolger ihres Versicherungsnehmers geltend, da sie einen übergegangenen Anspruch ihres Versicherungsnehmers gegen die Beklagte verfolgt.
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Das Kostenfestsetzungsverfahren entfaltet keine Bindungswirkung für das Vergütungsverhältnis. Im Vergütungsverhältnis stellt sich die Frage, welche Gebühren angefallen und angemessen waren. Im Kostenfestsetzungsverfahren gegen es dagegen um die Frage, welche dieser Gebühren notwendig waren. Dies muss nicht deckungsgleich sein. So kann ein Mandant den Anwalt mit nicht notwendigen und überflüssigen Tätigkeiten beauftragen, die er selbstverständlich vergüten muss, die aber dann vom Gegner nicht zu erstatten sind.
Es können sich allenfalls Reflexwirkungen ergeben, so z.B. wenn der Anwalt den Mandanten nicht darüber aufklärt, dass er im Kostenfestsetzungsverfahren Rechtsmittel einlegen kann, nicht der Anwalt legt diese ein, sondern die Partei, diese sind dann auch gesondert zu vergüten, wenn er Rechtsmittelfristen verstreichen lässt oder wenn er im Kostenfestsetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß vorträgt oder sonstige Fehler begeht.
Unabhängig davon widerspricht es schon jeglichem Rechtsempfinden, dass ein Anwalt seinen berechtigten Vergütungsanspruch dadurch verlieren soll, dass ein Gericht in zum Teil rechts- und verfassungswidriger Weise Kostenerstattungsansprüche nach Belieben kürzt. Das Kostenerstattungsrisiko liegt beim Mandanten, nicht beim Anwalt. Es wäre sogar grundsätzlich unzulässig, wenn ein Anwalt im vornherein ankündigt, dass er nur zu den erstattungsfähigen Gebühren tätig wird.
Norbert Schneider