RVG §§ 14 Abs. 1, 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 ZPO § 122
Leitsatz
Im Falle der Vergütung eines Rechtsanwalts aus der Staatskasse infolge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind Tätigkeiten, die nach PKH-Antragstellung und während des PKH-Bewilligungsverfahrens erbracht werden, bei der Beurteilung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gem. § 14 Abs. 1 RVG von Verfassungs wegen grundsätzlich zu berücksichtigen (im Anschluss an SG Fulda, Beschl. v. 19.3.2012 – S 4 SF 51/11 E).
SG Fulda, Beschl. v. 11.12.2012 – S 4 SF 32/10 E
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG geführten Verfahrens aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung. Dem Erinnerungsverfahren liegt das vorbezeichnete Verfahren zugrunde. In diesem Verfahren hatte die Erinnerungsführerin namens und im Auftrag des Klägers mit Schriftsatz vom 27.3.2010, der am selben Tag bei dem SG eingegangen war, Klage erhoben und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Person beantragt. In der Klageschrift selbst war die Klage auch bereits (kurz) begründet worden. Am 30.3.2010 ging das von dem Kläger des Ausgangsverfahrens am 25.3.2010 unterzeichnete Formular mit seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei dem SG Fulda ein, woraufhin der Kammervorsitzende noch mit Beschluss von selben Tag Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Erinnerungsführerin ab dem 30.3.2010 gewährte. Das Verfahren fand seinen erstinstanzlichen Abschluss durch klageabweisenden Gerichtbescheid vom 22.4.2010. Die zunächst hiergegen erhobene Berufung nahm der Kläger unter dem 28.2.2011 zurück. Bereits zuvor hatte die Erinnerungsführerin mit Datum vom 20.5.2010 die Festsetzung ihrer Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse wie folgt beantragt:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
300,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
200,00 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV |
5,00 EUR |
Zwischensumme |
525,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
99,75 EUR |
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624,75 EUR |
Demgegenüber setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung unter dem 26.5.2010 wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
40,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
150,00 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
210,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
39,90 EUR |
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249,90 EUR |
Zur Begründung verwies der Urkundsbeamte darauf, dass im Beiordnungszeitraum der Erinnerungsführerin lediglich das Formblatt betreffend die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers des Ausgangsverfahrens vorgelegt worden sei; weiter kostenauslösende Handlungen hätten nicht vorgelegen. Daher werde die Verfahrensgebühr im Hinblick auf § 14 RVG auf 40,00 EUR festgesetzt. Da vorliegend nur eine fiktive Terminsgebühr angefallen sei, müsse diese unter Berücksichtigung des Aufwands auf 150,00 EUR festgesetzt werden. Letztlich seien auch keine Schreibauslagen im Beiordnungszeitraum erkennbar, die Anfertigung von Kopien rechtfertige nicht aus sich heraus deren Notwendigkeit. Hiergegen hat die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 8.7.2010 Erinnerung erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass im Anwendungsbereich der Betragsrahmengebühren die anwaltliche Tätigkeit nicht teilbar sei. Vielmehr müsse das gesamte Verfahren ab Antragstellung betrachtet werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Bedürftigkeit des Klägers sich wie in einem Streit über Grundsicherungsleistungen aus der Akte selbst ergebe. Hinsichtlich der fiktiven Terminsgebühr müsse regelmäßig von der Mittelgebühr ausgegangen werden, weil jede sonstige Einschätzung einer theoretischen Dauer spekulativ sei.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß, ihr unter Abänderung der angegriffenen Kostenfestsetzung vom 26.5.2010 die Vergütung entsprechend dem Antrag vom 20.5.2010 festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen und die Gebühren auf insgesamt 190,40 EUR festzusetzen.
Zur Begründung führt er aus, dass die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger des Ausgangsverfahrens als durchschnittlich bezeichnet werden müsse, während der Umfang und die Schwierigkeit unterdurchschnittlich eingestuft werden müsse, da nur der Beiordnungszeitraum der Erinnerungsführer betrachtet werden könne. Letztlich sei die halbe Mittelgebühr im Falle einer fiktiven Terminsgebühr angemessen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Erinnerung ist teilweise begründet.
1. Gem. § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des SGG genannten Personen gehört. Da der Kläger des Ausgangsverfahrens zu dem Kreis der Personen nach § 183 SGG zählt und das GKG somit nicht an...