Leitsatz
Allein die Veranlassung der Zustellung einer einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb durch den Rechtsanwalt des Antragstellers löst keine Vollstreckungs- bzw. Vollziehungsgebühr i.S.d. Nr. 3309 VV aus. Dies gilt auch dann, wenn die einstweilige Verfügung ein Gebot oder ein Verbot enthält.
LG Saarbrücken, Beschl. v. 25.2.2014 – 5 T 64/14
1 Sachverhalt
Die Gläubigerin hatte vor dem LG gegen den Schuldner eine einstweilige Beschluss-Verfügung erwirkt, durch die dem Schuldner u.a. (zu Nr. 1) das Anbieten und Verbreiten von Computerprogrammen untersagt worden ist. Den Streitwert hat das LG auf 75.000,00 EUR festgesetzt.
Die Gläubigerin hat durch ihre Verfahrensbevollmächtigten die Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Schuldner im Parteibetrieb veranlasst und darüber hinaus hinsichtlich Nr. 3 des Beschlusses des LG (Herausgabe) die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betrieben.
Nach Abschluss der Vollstreckung/Vollziehung hat die Gläubigerin vor dem AG (Vollstreckungsgericht) die Festsetzung der Vollstreckungs-/Vollziehungskosten beantragt, und zwar eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV aus dem Wert von 75.000,00 EUR. Dieser Betrag ist antragsgemäß festgesetzt worden.
Dagegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt und beruft sich darauf, dass die anwaltlichen Vollstreckungs-/Vollziehungskosten nur aus dem Wert von 5.000,00 EUR zu berechnen seien. Die bloße Zustellung der einstweiligen Verfügung löse keine Gebühr gem. Nr. 3309 VV aus.
Die Gläubigerin ist der Auffassung, sie habe durch Veranlassung ihrer Prozessbevollmächtigten die gesamte einstweilige Verfügung vollzogen, indem die Zustellung im Parteibetrieb veranlasst worden sei. Mit dieser Gesamtvollziehung sei die 0,3-Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert von 75.000,00 EUR angefallen. Mehr hätte nicht festgesetzt werden dürfen.
Die sofortige Beschwerde, der das AG nicht abgeholfen hat, hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
2. Der Streit der Parteien betrifft die Rechtsfrage, ob allein die Zustellung der einstweiligen Verfügung des LG die 0,3-Vollstreckungsgebühr gem. Nr. 3309 VV auslöst.
2.1. Für diese von der Gläubigerin vertretene und von dem AG erstinstanzlich gebilligte Auffassung spricht, dass der unter Abschnitt 3 des Gebührenverzeichnisses des RVG "Vollstreckung und Vollziehung" laut Vorbem. 3.3.3 VV für die Zwangsvollstreckung, die Vollstreckung, Verfahren des Verwaltungszwangs und für die Vollziehung eines Arrestes oder einstweiligen Verfügung gilt und dass die einstweilige Verfügung gem. § 929 ZPO im Regelfall durch Zustellung im Parteibetrieb vollzogen wird (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 929 ZPO, Rn 12, m.w.Nachw.).
2.2. Dennoch löst die Veranlassung der Zustellung einer einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb keine Vollstreckungs- bzw. Vollziehungsgebühr i.S.d. Nr. 3309 VV aus (vgl. ebenso: OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.2001 – 6 W 197/01; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.3.1984 – 14 W 146/84). Dies gilt auch dann, wenn die einstweilige Verfügung – wie vorliegend – ein Gebot oder ein Verbot enthält (vgl. OLG Koblenz a.a.O.; KG, Beschl. v. 3.5.1965 – 1 W 135/65, JurBüro 1965, 903). Denn ausweislich des § 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG ist die Bewirkung der Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung gebührenrechtlich als Neben- oder Abwicklungstätigkeit des Rechtsanwalts anzusehen, die mit der in dem einstweiligen Verfügungsverfahren angefallenen Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) mit abgegolten ist.
2.3. Ob eine besondere Angelegenheit i.S.d. Gebührenrechtes, die unabhängig und eventuell auch zusätzlich zu der Verfahrensgebühr zu vergüten wäre, unter Berücksichtigung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG dann vorläge, wenn der Rechtsanwalt nur mit der Zustellung der einstweiligen Verfügung beauftragt gewesen wäre (vgl. dazu OLG Bamberg, Beschl. v. 3.9.1984 – 3 W 62/84) kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben.
2.4. Jedenfalls kann die Gläubigerin von dem Schuldner für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten bei der Veranlassung der Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb keine gesonderte Vollstreckungsgebühr geltend machen.
2.5. Angefallen ist die Vollstreckungsgebühr gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG i.V.m. Nr. 3309 VV jedoch insoweit, als die Gläubigerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, in Vollziehung der Nr. 3 der einstweiligen Verfügung des LG durch die zuständige Gerichtsvollzieherin die titulierte Herausgabe vollstreckt hat.
Für die Berechnung der dafür angefallenen anwaltlichen Vollstreckungsgebühr geht das erkennende Gericht unter Berücksichtigung des von dem LG festgesetzten Gesamtstreitwertes von 75.000,00 EUR für die Herausgabeanordnung von einem angemessenen Teilstreitwert von 5.000,00 EUR aus (§ 3 ZPO).
3 Anmerkung
Der "Streitwert" für die Herausgabevollstreckung richtet sich nicht nach § 3 ZPO. Der Gegenstandswert ergibt sich vielmehr aus § 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG. Im Übrigen ist die Entscheidung jedoch zutreffend.
Norbert Schneider
AGS 4/2014, S. 181 - 182