Leitsatz
Kosten einer vor dem 1.5.2013 begonnenen Räumung i.S.v. § 885a Abs. 1 ZPO sind keine Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO. Auf diese Räumungskosten ist die Vorschrift des § 885a Abs. 7 ZPO nicht anwendbar.
BGH, Beschl. v. 23.10.2014 – I ZB 82/13
1 Sachverhalt
Der Schuldner wurde durch Versäumnisurteil des AG dazu verurteilt, die vormals vermietete Wohnung zu räumen und geräumt herauszugeben.
Nachdem der Schuldner nicht freiwillig räumte, wurde der Gläubiger vom Gerichtsvollzieher in den Besitz der Wohnung eingewiesen. Der Gläubiger ließ die Wohnung unter Berufung auf sein Vermieterpfandrecht von der G. räumen und das Pfandgut über einen freien Versteigerer versteigern. Dafür stellte die G. dem Gläubiger für Räumung und Versteigerung nach Abzug des Versteigerungserlöses insgesamt 993,02 EUR in Rechnung.
Daraufhin hat der Gläubiger beantragt, die ihm von der G. berechneten Kosten als weitere Kosten der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner festzusetzen. Das AG hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Kostenfestsetzungsantrag weiter.
Das Beschwerdegericht hat angenommen, bei den für die Beauftragung der G. entstandenen Kosten handele es sich nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788 Abs. 1 ZPO. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Zwangsvollstreckung sei die Durchsetzung eines materiellen Anspruchs mit staatlichem Zwang. Im Streitfall habe der Gläubiger den Gerichtsvollzieher nur mit der Durchführung der Räumung nach dem "Berliner Modell" beauftragt und im Übrigen sein Vermieterpfandrecht geltend gemacht. Die Räumungsvollstreckung sei deshalb auf die Besitzeinweisung des Gläubigers gem. § 885 Abs. 1 ZPO beschränkt gewesen. Die für die Räumung des Objekts und die Versteigerung des Pfandgutes angefallenen Kosten der G. seien dann keine Kosten der Zwangsvollstreckung. Vielmehr seien sie in Ausübung des Vermieterpfandrechts entstanden und könnten nur in einem ordentlichen Verfahren als Aufwendungs- oder Schadensersatz geltend gemacht werden.
Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass der Antrag auf Festsetzung der von der G. berechneten Kosten als Kosten der Zwangsvollstreckung unbegründet ist.
1. Die dem Gläubiger von der G. berechneten Aufwendungen sind nicht nach § 885a Abs. 7 ZPO Kosten der Zwangsvollstreckung.
a) Allerdings hat der Gesetzgeber durch das am 1.5.2013 in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz v. 11.3.2013 mit der Einfügung von § 885a ZPO das schon zuvor in der Rspr. anerkannte "Berliner Modell" zur Räumungsvollstreckung (vgl. BGH, Beschl. v. 17.11.2005 – I ZB 45/05, NJW 2006, 848 Rn 8 ff.; Beschl. v. 16.7.2009 – I ZB 80/05, NJW-RR 2009, 1384 Rn 8 ff.) gesetzlich näher geregelt (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 17/10485, S. 15, 31). Nach § 885a Abs. 1, § 885 Abs. 1 ZPO kann der Vollstreckungsauftrag des Gläubigers auf die Besitzverschaffung an den Räumen beschränkt werden. Der Gläubiger kann die in der Wohnung vorgefundenen beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, unter Beachtung der näheren Regelungen der Abs. 3 bis 5 des § 885a ZPO wegschaffen und verwerten. Nach § 885a Abs. 7 ZPO gelten die Kosten, die dem Gläubiger durch die Wegschaffung, Verwahrung, Vernichtung oder Verwertung der Sachen des Schuldners gem. § 885a Abs. 3 und 4 ZPO entstehen, als Kosten der Zwangsvollstreckung.
b) Im Streitfall erfolgte die Räumung der Wohnung vom 14. bis 16.11.2012 und damit vor Inkrafttreten des § 885a ZPO am 1.5.2013. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war § 885a Abs. 7 ZPO für vor dem 1.5.2013 begonnene Räumungen weder bei Erlass des Beschlusses des AG (4.6.2013) noch bei der angefochtenen Beschwerdeentscheidung (16.10.2013) zu beachten. Die dem Gläubiger von der G. in Rechnung gestellten Kosten wären vielmehr nur dann als Kosten der Zwangsvollstreckung anzusehen, wenn mit der Räumung nach dem 30.4.2013 begonnen worden wäre. Das war nicht der Fall.
aa) Soweit das Gesetz keine Überleitungsregel enthält, erfassen Änderungen des Verfahrensrechts zwar im Allgemeinen auch schwebende Verfahren. Sie sind mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes grundsätzlich nach neuem Recht zu beurteilen, soweit es nicht um unter Geltung des alten Rechts abgeschlossene Verfahrenshandlungen und abschließend entstandene Verfahrenslagen geht (std. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 23.4.2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136 Rn 25 m.w.Nachw.) oder sich Abweichendes aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Verfahrensrechts ergibt (BGH, Urt. v. 28.2.1991 – III ZR 53/90, BGHZ 114, 1, 3 f.).
bb) § 788 Abs. 1 ZPO ist aber keine Regelung des Ver...