Mehrwertvergleiche dienen allen Beteiligten.

Ein solcher Vergleich dient insbesondere dem Mandanten, da er in einem Verfahren weitere nicht anhängige Gegenstände erledigen kann und damit oftmals eine Gesamtbereinigung seiner rechtlichen Probleme mit dem jeweiligen Gegner erreichen kann, was letztlich auch dem Rechtsfrieden dient. Zudem ist diese Gesamtbereinigung aufgrund der Gebührendegression für ihn günstiger, als die einzelnen Streitpunkte jeweils einzeln zu erledigen.

Für den Anwalt ist ein Mehrwertvergleich interessant, da er hierdurch eine höhere Vergütung erzielt. Zwar würde er bei getrennten Verfahren eine noch höhere Vergütung erzielen; damit wäre jedoch ein weitaus höherer Aufwand verbunden, der sich nicht rechnen würde.

Der Justiz wiederum dienen Mehrwertvergleiche, da ihr dadurch weitere streitige Folgeverfahren erspart bleiben und sie somit nachhaltig entlastet wird.

Daher hat der Gesetzgeber insbesondere in Familiensachen bewusst einen Anreiz für solche Mehrwertvergleiche geschaffen, nämlich durch die Regelung des § 48 Abs. 3 RVG (früher § 122 Abs. 3 BRAGO). Für die Beteiligten eines Scheidungsverfahrens und auch die Verfahrensbevollmächtigten soll dadurch ein Anreiz geschaffen werden, anlässlich eines Scheidungsverfahrens alle Folgesachen (und noch mehr) vergleichsweise zu regeln, um damit dem Gericht ein Verfahren über die Folgesache oder sogar ein isoliertes Verfahren hierüber zu ersparen.

Umso unverständlicher ist es, dass gerade die Justiz sich gegen solche Mehrwertvergleiche sperrt. Insoweit sei nur auf die neue Rechtsprechung hingewiesen, wonach sich bei einem Mehrwertvergleich außerhalb des § 48 Abs. 3 RVG die bewilligte Prozess- und Verfahrenskostenhilfe nicht mehr auf die Verfahrens- und Terminsdifferenzgebühren erstrecken soll (OLG Köln AGS 2015, 89; OLG Dresden AGS 2014, 347; OLG Koblenz AGS 2014, 348; jetzt auch OLG Celle, Beschl. v. 26.2.2015 – 10 WF 28/15, vorgesehen für Heft 5/2015).

Zunehmend versuchen Richter, Protokollierungen – insbesondere über Grundstücksübertragungen – abzulehnen, und berufen sich dabei auf fehlenden Sachzusammenhang oder Haftungsrisiken.

In einer lesenswerten Entscheidung (S. 191 in diesem Heft) hat das OLG Koblenz einer Richterin, die sich vor einer solchen Vergleichsprotokollierung drücken wollte, die Leviten gelesen und mit knappen Worten klargestellt, dass die Gerichte verpflichtet sind, solche Mehrwertvergleiche nicht nur zu protokollieren, sondern dafür auch Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

Voraussetzung ist, dass der Mehrwertvergleich in einem Zusammenhang mit dem Streit- bzw. Verfahrensgegenstand stehen muss. Hiervon wird in einem Scheidungsverfahren aber grundsätzlich auszugehen sein, wie das OLG Koblenz zu Recht festgestellt hat, da das Scheidungsverbundverfahren dazu dient, die Rechtsbeziehungen zwischen den Eheleuten endgültig zu regeln.

Soweit darüber hinaus häufig eingewandt wird, eine Protokollierung sei dem Richter nicht zumutbar, weil er dann die Beteiligten belehren müsse und zudem ein Haftungsrisiko eingehe, hat der BGH dazu bereits Stellung genommen (FamRZ 2011, 1572 = NJW 2011, 3451). Der BGH hat zwar im konkreten Fall die Weigerung des Richters zu protokollieren als gerechtfertigt angesehen und dabei auch auf die Belehrungspflichten und das Haftungsrisiko abgestellt. Der BGH hat in dieser – häufig missverstandenen und häufig falsch zitierten – Entscheidung jedoch nicht erklärt, dass der Richter wegen seiner Belehrungspflichten und seines möglichen Haftungsrisikos die Protokollierung ablehnen dürfe. Vielmehr hat der BGH das Recht zur Verweigerung der Protokollierung daran festgemacht, dass im konkreten Fall der Richter nicht von der Belehrungspflicht und einem eventuellen Haftungsrisiko freigestellt worden sei. Danach darf der Richter also die Protokollierung nicht verweigern, wenn er vor Abschluss des Vergleichs von seinen Belehrungspflichten und einer eventuellen Haftung freigestellt wird. Dies kann z.B. in einer Vorbemerkung oder einer Präambel zum Vergleich geregelt werden.

Die Entscheidung des OLG Koblenz sollte den Anwälten Mut machen, Mehrvergleiche abzuschließen und sich von protokollierungsunwilligen Richtern nicht abschrecken zu lassen.

Autor: Norbert Schneider

Norbert Schneider

AGS 4/2015, S. II

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