Leitsatz
Für die Kosten einer Zwangsvollstreckung gegen einen von mehreren Schuldnern haften auch die übrigen Schuldner gesamtschuldnerisch.
LG Frankfurt, Beschl. v. 10.6.2015 – 2-9 T 162/15
1 Sachverhalt
Die Gläubigerin hatte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des AG betrieben, mit dem der Schuldner gesamtschuldnerisch mit einem weiteren Nutzer zur Räumung einer Wohnung verurteilt worden war. Der Zwangsvollstreckungsauftrag war gegen beide Schuldner in Auftrag gegeben worden.
Der Schuldner zog am 14.7.2014 aus der Wohnung aus und teilte dies der Gläubigerin mit Schreiben vom 23.7.2014 mit.
Am 12.8.2014 führte der zuständige Obergerichtsvollzieher die Zwangsräumung durch. Der weitere Räumungsschuldner befand sich zu dieser Zeit im Krankenhaus.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das AG die vom Schuldner und dem weiteren Räumungsschuldner gesamtschuldnerisch an die Gläubigerin zu erstattenden Kosten der Zwangsvollstreckung auf 5.754,14 EUR zuzüglich Zinsen festgesetzt.
Dagegen wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen Beschwerde. Er meint, die Schuldner eines Räumungstitels würden zwar grundsätzlich als Gesamtschuldner für die Kosten der Zwangsräumung haften. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn einer der gesamtschuldnerisch Haftenden seine Pflicht zum Auszug bereits vor Beginn der Zwangsvollstreckung freiwillig erfüllt habe und gegen ihn daher keine Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt würden.
Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem LG zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es angeführt, im Falle einer gesamtschuldnerischen Verurteilung hafte ein Gesamtschuldner für die Vollstreckungsmaßnahmen gegen die übrigen Gesamtschuldner mit. Im vorliegenden Fall könne nichts anderes gelten.
2 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das AG hat die Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner und … zu Recht als Gesamtschuldner auferlegt. Soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, haften sie gem. § 788 Abs. 1 S. 3 ZPO auch für die Kosten der Zwangsvollstreckung als Gesamtschuldner. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Schuldner schon vor Beginn der Zwangsräumung aus der Wohnung ausgezogen ist. Soweit angenommen wird, der Schuldner habe mit seinem Auszug seine Pflicht bereits vor Beginn der Zwangsvollstreckung freiwillig erfüllt und es würden damit gegen ihn keine Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt (LG Koblenz, Beschl. v. 21.3.2006 – 2 T 65/06, juris Rn 8 f.), überzeugt dies nicht und widerspricht dem Grundgedanken der gesamtschuldnerischen Haftung. Denn bei der gesamtschuldnerischen Haftung ist jeder der Schuldner gem. § 421 S. 1 BGB zur Bewirkung der ganzen Leistung verpflichtet. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet (§ 421 S. 2 BGB). Bei der gesamtschuldnerischen Verurteilung zur Räumung einer Wohnung besteht die ganze Leistung in der vollständigen Räumung der Wohnung, nicht etwa nur in der Räumung von den eigenen Sachen beim eigenen Auszug.
Überdies erteilte die Gläubigerin am 17.6.2014 den Zwangsvollstreckungsauftrag sowohl gegen … als auch gegen den Schuldner. Damit richtete sich die Zwangsvollstreckung anders als in dem vom LG Kassel entschiedenen Fall (LG Kassel, Beschl. v. 11.4.2000 – 10 T 28/00, Rpfleger 2000, 402) auch gegen den Schuldner.
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zuzulassen.
3 Anmerkung
Die Zwangsvollstreckung gegen mehrere Schuldner beinhaltet grundsätzlich mehrere Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG zählt jede Vollstreckungsmaßnahme als eigene Angelegenheit. Dies gilt sowohl für die Vollstreckung gegen mehrere Teilschuldner als auch gegen mehrere Gesamtschuldner, mag auch der Anspruch der gleiche und das wirtschaftliche Interesse dasselbe sein. Eine Streitgenossenschaft auf Schuldnerseite gibt es in der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht, selbst dann nicht, wenn gegen die verschiedenen Schuldner aus demselben Titel vollstreckt wird. Nur dann, wenn ausnahmsweise einheitlich vollstreckt werden muss, liegt nur eine Angelegenheit vor.
Norbert Schneider
AGS 4/2016, S. 206 - 207