Leitsatz
- Über die Streitwertbeschwerde entscheidet beim OVG auch dann der Einzelrichter, wenn in der Vorinstanz der Berichterstatter den Streitwert festgesetzt hat (Anschluss an VGH Baden-Württemberg NVwZ-RR 2006, 648).
- Der Berichterstatter ist jedenfalls dann nicht mehr zuständig für die Entscheidung über den Streitwert nach § 87a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 4 VwGO, wenn die Kammer bereits eine Sachentscheidung erlassen hat.
OVG Bremen, Beschl. v. 23.12.2015 – 1 S 288/15
1 Sachverhalt
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen eine Streitwertfestsetzung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren. Eine Übertragung auf den Einzelrichter erfolgte nicht. Mit Gerichtsbescheid hat das VG die Klage abgewiesen. Hiernach hat die Berichterstatterin den Streitwert gem. § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Daraufhin hat sich der Kläger an das VG gewandt. Der Schriftsatz enthält folgende Passage: "Der Kläger gibt dem Gericht zur Erinnerung mit Beschwer gem. § 63 Abs. 2 GKG u. § 21 GKG auf, das einer Streitwertfestsetzung u.a. nach Grundgesetz auf null zu setzen ist."
Mit Beschluss vom 9.12.2015 hat das VG dem als Streitwertbeschwerde angesehenen Schreiben nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen
Das VG hat den Schriftsatz des Klägers zutreffend als Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung gedeutet. Über die Streitwertbeschwerde entscheidet gem. § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 S. 1 GKG der Einzelrichter, weil auch die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde. Dies schließt den Fall ein, dass in der Vorinstanz die Berichterstatterin bzw. der Berichterstatter allein entschieden hat (so auch – mit überzeugender Begründung – VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.6.2006 – 9 S 1148/06, NVwZ-RR 2006, 648 ff.; vgl. zur Gegenansicht nur OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 2.2.2007 – 4 O 17/07, juris; jeweils m.w.N.). Dies entspricht der std. Entscheidungspraxis des 1. Senats des OVG Bremen (vgl. zuletzt etwa Beschl. v. 19.3.2014 – 1 S 37/14 sowie Beschl. v. 18.8.2014 – 1 S 178/14). Die Voraussetzungen für eine Übertragung auf den Senat gem. § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 S. 2 GKG liegen deshalb nicht vor.
Die Beschwerde ist zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt (§ 68 Abs. 1 S. 1 GKG). Ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR hat der Kläger Gerichtskosten in Höhe von 438,00 EUR zu tragen. Mit seiner Beschwerde macht er geltend, der Streitwert sei "auf null" zu setzen.
Die Beschwerde ist begründet, weil der angefochtene Beschluss an einem Verfahrensfehler leidet. Die Berichterstatterin war für die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung nicht zuständig. Stattdessen hätte hierüber die Kammer in der Besetzung mit drei Berufsrichtern entscheiden müssen. Aus diesem Grund ist der Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Streitwertfestsetzung an das VG zurückzuverweisen.
Eine Zuständigkeit der Berichterstatterin könnte sich nur aus § 87a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 4 VwGO ergeben. Soweit, wie hier, ein Berichterstatter bestellt ist, entscheidet dieser über den Streitwert, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht. Die Voraussetzungen dieser Zuständigkeitsregelung sind nicht erfüllt, weil die Streitwertfestsetzung nicht mehr im vorbereitenden Verfahren erging.
Der Begriff des vorbereitenden Verfahrens ist gesetzlich nicht definiert. Hierzu werden im Detail unterschiedliche Ansichten vertreten. Jedenfalls aber endet das vorbereitende Verfahren bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren wie bei Erlass eines Gerichtsbescheides mit dem Erlass der Sachentscheidung (Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 87a Rn 6; Jacob, in: Gärditz, VwGO, 2013, § 87a Rn 4; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 87a Rn 2; widersprüchlich Geiger, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 87a Rn 11 einer- und Rn 3 andererseits). Dies folgt aus dem Wortlaut der Regelung, ihrem Sinn und Zweck, den Spruchkörper von Nebenentscheidungen zu entlasten, sofern er sich nicht ohnehin in der Sache mit der Angelegenheit zu befassen hat, ihrem systematischen Zusammenhang mit § 87 VwGO sowie aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. BT-Drucks 11/7030, S. 27 f.).
AGS 4/2016, S. 192 - 193