RVG §§ 1 Abs. 3, 33 Abs. 8, 46 Abs. 1 u. 2, 56 Abs. 2
Leitsatz
- Ein Rechtsanwalt hat jedenfalls dann keinen Anspruch auf Erstattung von Dolmetscherkosten, wenn er die Notwendigkeit der Hinzuziehung dem Grunde und der Höhe nach trotz entsprechender Aufforderung durch das Gericht nicht nachweist.
- Gegen die Entscheidung des VG über die Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nach § 55 RVG ist auch in asylrechtlichen Streitigkeiten die Beschwerde statthaft. § 80 AsylG wird durch § 1 Abs. 3 RVG verdrängt (Anschluss OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.7.2016 – OVG 3 K 40.16).
VG Kassel, Beschl. v. 19.10.2016 – 3 O 1493/16.KS. A
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem VG geführten Verfahrens aus der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen. Umstritten ist insbesondere, ob der Erinnerungsgegner Anspruch auf Erstattung von Dolmetscherkosten hat.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Erinnerungsgegner die Festsetzung folgender Gebühren, jeweils aus einem Gegenstandswert von 8.000,00 EUR:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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373,10 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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344,40 EUR |
Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Zwischensumme: |
737,50 EUR |
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19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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140,13 EUR |
Gesamt |
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877,63 EUR |
Weiterhin beantragte der Erinnerungsgegner, Dolmetscherkosten als Auslagen i.H.v. insgesamt 1.907,69 EUR zu erstatten. Entsprechende Belege wurden vorgelegt. Danach fan den sieben Beratungstermine mit insgesamt 22 Stunden statt, bei denen ein Dolmetscher beteiligt war.
Mit der hier angegriffenen Vergütungsfestsetzung setzte die Urkundsbeamtin die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen antragsgemäß fest.
Hiergegen hat die Bezirksrevisorin für die Staatskasse Erinnerung eingelegt. Sie beanstandet die festgesetzten Dolmetscherkosten. Zwar seien Dolmetscherkosten grundsätzlich erstattungsfähig, die Höhe sei jedoch auf die nach dem JVEG zu zahlenden Beträge beschränkt, § 46 Abs. 2 S. 3 RVG. Insoweit sei bei der Prüfung der Erforderlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen, bei dem insbesondere zu berücksichtigten sei, ob die Übersetzung durch Familienangehörige, Nachbarn oder ähnliche möglich sei. Sie beanstandet weiterhin die Höhe der geltend gemachten Fahrtkosten und Parkgebühren des Dolmetschers.
Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Der Erinnerungsgegner wurde aufgefordert, die Gründe für die (weit) überdurchschnittlichen Dolmetscherkosten darzulegen. Für den Fall, dass eine Stellungnahme nicht fristgerecht erfolge, müsse damit gerechnet werden, dass das Gericht die Dolmetscherkosten insgesamt nicht anerkenne und die angegriffene Vergütungsfestsetzung entsprechend abändere. Der Erinnerungsgegner hat darauf nicht reagiert.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 56 Abs. 1 RVG statthafte Erinnerung, über die gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Einzelrichter entscheidet, ist zulässig und begründet.
Die angegriffene Vergütungsfestsetzung ist teilweise rechtswidrig. Der Erinnerungsgegner hat (lediglich) Anspruch auf Vergütung i.H.v. 877,63 EUR. Die festgesetzten Dolmetscherkosten sind – auf der Basis des dem Gericht bekannten Sachverhalts – nicht erstattungsfähig.
Grundsätzlich hat der beigeordnete Rechtsanwalt (auch) einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen, die er zur Erfüllung seiner Aufgabe einsetzt. Soweit diese Ausgaben zur sachgemäßen Interessenwahrnehmung erforderlich sind, kann der Rechtsanwalt gem. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 RVG i.V.m. §§ 670, 675 BGB Erstattung von der Staatskasse verlangen, was in § 46 Abs. 2 S. 3 RVG klargestellt ist (Fölsch, in: Schneider/Wolf, RVG, 7. Aufl., 2014, § 46 Rn 35 m.w.N.).
Regelmäßig ist davon auszugehen, dass bei einem Beteiligten, der der deutschen Sprache nicht oder nur eingeschränkt mächtig ist, ein Übersetzungserfordernis bei Besprechungsterminen besteht.
Das Gericht muss an dieser Stelle nicht die genauen Modalitäten des Prüfungsumfangs für die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers – dem Grunde und der Höhe nach – festlegen. Es kann insbesondere die Frage offen bleiben, ob aus dem das Kostenrecht allgemein beherrschenden Sparsamkeitsgrundsatz (Hartmann, KostR, 45. Aufl., 2015, § 46 RVG Rn 14) und dem daraus folgenden Gebot sparsamer Prozessführung folgt, dass ein Beteiligter zunächst auf alternative Übersetzungsmöglichkeiten durch Verwandte und Bekannte zu verweisen ist (in diesem Sinne Bayerisches LSG, Beschl. v. 3.2.2015 – L 15 SF 18/14 E, juris, Rn 22 ff. m.w.N.) oder ob dem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege insoweit ein weiter Einschätzungsspielraum zukommt, der ihm grundsätzlich die Einschaltung eines (professionellen) Dolmetschers ermöglicht (in diesem Sinne Fölsch, in: Schneider/Wolf, RVG, 7. Aufl., 2014, § 46 Rn 36). Denn unabhängig von diesem Streit, kann von einem Rechtsanwalt verlangt werden, dass er die grundsätzliche Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers nachwe...