ZPO § 93
Leitsatz
Im Abmahnverfahren (vorgerichtlich) muss ein Verband keine Namen von Mitgliedern bekannt geben
OLG Hamm, Beschl. v. 23.2.2017 – I-4 W 102/16
1 Sachverhalt
Der Antragsgegner war von einem Unternehmer-Verband aufgrund offensichtlicher Wettbewerbsverstöße mit Schreiben vom 14.6.2016 abgemahnt worden. Mit anwaltlichen Schreiben vom 29.6.2016 ließ er die geforderte Unterlassungserklärung unter der Bedingung anbieten, dass im Abmahnverfahren (also vorgerichtlich) die für die Aktivlegitimation (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) erforderlichen Mitglieder namentlich benannt würden. Dem kam der Verband nicht nach und erwirkte beim LG eine einstweilige Verfügung gegen den Antragsgegner, mit dem ihm auch die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden.
Auf den Kostenwiderspruch des Antragsgegners hin änderte das LG die Kostenentscheidung und erlegte gem. § 93 ZPO den Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf, weil dieser erst im gerichtlichen Verfahren die für die Aktivlegitimation erforderlichen Mitglieder benannt habe.
Hiergegen legte der antragstellende Verband sofortige Beschwerde ein. Das OLG Hamm änderte die Kostenentscheidung dahingehend ab, dass der Antragsgegner die Kosten des Verfügungs- und des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.
2 Aus den Gründen
Die in entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg.
Die erstinstanzlichen Kosten des Verfahrens sind nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO dem Antragsgegner aufzuerlegen.
Die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegen nicht vor. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller spätestens durch den Schriftsatz vom 29.6.2016, in dem der Antragsgegner erklärt hat, er werde keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, Veranlassung zur Anbringung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben. Der Auffassung des Antragsgegners, er sei zur Verweigerung der Abgabe einer Unterwerfungserklärung berechtigt gewesen, weil der Antragsteller seine Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG vorgerichtlich nicht ausreichend dargelegt und insbesondere keine nicht anonymisierte Mitgliederliste vorgelegt habe, vermag der Senat nicht beizutreten.
Verbände, deren wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung nicht weithin geläufig ist, müssen in einer von ihnen ausgesprochenen Abmahnung nähere Angaben zu den in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bezeichneten Anforderungen machen (Ahrens/Achilles, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., 2013, Kap. 2 Rn 20). Dieser Vorgabe ist der Antragsteller mit den Darlegungen auf den ersten beiden Seiten seiner Abmahnung vom 14.6.2016 gerecht geworden. Eine Obliegenheit, die einzelnen Verbandsmitglieder namhaft zu machen, trifft einen Verband hingegen im Abmahnverfahren – anders als in einem gegebenenfalls nachfolgenden gerichtlichen Verfahren – (noch) nicht (Ahrens/Achilles, a.a.O.).
Mitgeteilt von RA und FA IT-Recht Dr. Harald Schneider, Siegburg
3 Anmerkung
Die Abmahnung dient der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen, ohne die Gerichte in Anspruch zu nehmen, und gibt dem Verletzer die Möglichkeit, durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Das Abmahnverfahren ist meist von hohem Zeitdruck geprägt, da auch nach Versand eines Abmahnschreibens weiterhin Wettbewerbsverstöße drohen. Abmahnungen werden aus diesem Grunde häufig per Telefax oder per E-Mail mit kurzer Fristsetzung verschickt. Ist aus Sicht des Gläubigers eine Abmahnung voraussichtlich nicht erfolgreich oder ist sie diesem aus zeitlichen Gründen nicht zumutbar, kann geklagt werden, ohne dass den Kläger die Kostenlast nach § 93 ZPO trifft. Zum Inhalt der Abmahnung gehört die Angabe der Tatsachen, aus denen sich die konkrete Verletzungshandlung ergibt. Rechtliche Ausführungen sind sinnvoll, aber nicht zwingend notwendig. Auch müssen keine Beweismittel benannt werden. In Anbetracht dieser Grundsätze ist es weder interessengerecht noch praktikabel, das Abmahnverfahren damit zu belasten, dass ein Abgemahnter sich erst noch Mitgliederlisten eines Verbandes zusenden lässt, diese sowie die Angebote der Mitglieder überprüft. Dazu müsste dem Abgemahnten dann auch noch Zeit gegeben werden, damit dieser gegebenenfalls versucht, mit den benannten Vereinsmitgliedern Kontakt aufzunehmen, um festzustellen, ob diese tatsächlich (noch) Mitglieder sind und welche gleichen oder ähnlichen Leistungen sie anbieten. Kurze Fristsetzungen wären in dem Falle kaum noch möglich. Andererseits könnte ein Verletzer bei nur kurzer Fristsetzung in der Abmahnung seine Erkundigungen in der Regel gar nicht einholen. Daher ist die Sichtweise des OLG Hamm richtig, dass im Abmahnverfahren – sofern bei dem betreffenden Verband nicht ohnehin weitläufig bekannt – lediglich Darlegungen zur Aktivlegitimation erfolgen müssen und keine Beweismitteln in der Form von Mitgliederlisten u.Ä. vorgelegt werden müssen.
Das OLG Hamm weist zutreffend darauf hin, dass die namentliche Nennung von Mitgliedern erst in einem gerichtlichen Verfahren erforderlich sein kann...