RVG VV Nr. 4122
Leitsatz
- Die Mittagspause ist nicht in den Längenzuschlag einzurechnen (Anschluss OLG Koblenz, 6.2.2006 – 2 Ws 70/06, NJW 2006, 1149).
- Hat sich jedoch ein Verfahrensbeteiligter (hier: ein Sachverständiger) beim Mittagessen verspätet und verzögert sich dadurch die geplante Fortsetzung der Hauptverhandlung (hier: um 15 Minuten), ist die Wartezeit ausnahmsweise in die Dauer der Hauptverhandlung einzurechnen.
LG Ingolstadt, Beschl. v. 8.4.2016 – 1 Ks 11 Js 13880/13
1 Sachverhalt
Bei der Festsetzung der Kosten für den Nebenkläger brachte der Rechtspfleger den Längenzuschlag gem. Nr. 4122 VV in Abzug. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Verhandlung abzüglich einer Mittagspause von 1 h 25 min insgesamt nur 4 h 50 min gedauert habe.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Nebenklägervertreters. Die Erinnerung wurde u.a. damit begründet, dass sich die geplante Fortsetzung der Hauptverhandlung durch eine Verspätung der geladenen Gutachter beim Mittagessen verzögert habe. Bis zu deren Ankunft im Sitzungssaal habe zugewartet werden müssen, da eine Fortsetzung der Verhandlung ohne Gutachter nicht möglich gewesen sei. Ohnehin seien nach mittlerweile mehrheitlicher Rspr. und Meinung in der Lit. die Pausenzeiten nicht mehr von der Verhandlungsdauer abzuziehen.
Der zuständige Rechtspfleger half der Erinnerung mit der Begründung nicht ab, dass die Mittagspause nicht in die Dauer der Hauptverhandlung einzurechnen sei, und legte die Sache gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG dem Gericht zur Entscheidung vor.
Dem Bezirksrevisor wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt. Unter Bezugnahme auf die vom Rechtspfleger angeführten Gründe beantragte er, die Erinnerung zurückzuweisen.
Das Vorbringen zur Begründung der Erinnerung wurde mit weiteren Schriftsätzen ergänzt und dahingehend präzisiert, dass die Hauptverhandlung um 11:50 Uhr zur Mittagspause unterbrochen worden sei. Um 13:00 Uhr habe die Sitzung mit Einvernahme des rechtsmedizinischen Sachverständigen fortgesetzt werden sollen. Dieser habe sich allerdings noch beim Mittagessen befunden und sei erst verspätet eingetroffen, da das "Cordon Bleu" verbrannt gewesen sei. Aufgrund dieser Verspätung des Sachverständigen habe die Sitzung erst um 13:15 Uhr fortgesetzt werden können. Vorstehender Sachverhalt wurde vom Nebenklägervertreter an Eides Statt versichert.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 56 Abs. 1 RVG zulässige Erinnerung hat in der Sache Erfolg.
Der Längenzuschlag nach Nr. 4122 VV ist vorliegend nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil die Mittagspause in die Dauer der Hauptverhandlung einzurechnen wäre. Der Längenzuschlag ist nach dem Wortlaut von Nr. 4122 VV dann zu gewähren, wenn der Rechtsanwalt mehr als fünf und bis zu acht Stunden an der Hauptverhandlung teilgenommen hat. Da die Hauptverhandlung für die Dauer der Mittagspause unterbrochen wird und da in der Mittagspause mithin eine Hauptverhandlung nicht stattfindet, ist die Mit tagspause nach zutreffender Auffassung in den Längenzuschlag nicht einzurechnen (str., wie hier: OLG Koblenz, Beschl. v. 6.2.2006 – 2 Ws 70/06; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.11.2007 – 1 Ws 221/07; OLG München, Beschl. v. 23.10.2008 – 4 Ws 150/08; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.4.2014 – 1 Ws 132/14; zum Meinungsstand OLG Celle, Beschl. v. 10.7.2007 – 2 Ws 124/07).
Der Längenzuschlag ist allerdings wegen der unvorhergesehenen Verspätung der Sachverständigen beim Mittagessen begründet. Da die Hauptverhandlung nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt nicht wie geplant um 13:00 Uhr fortgesetzt werden konnte, weil sich die Gerichtssachverständigen beim Mittagessen verspätet hatten, und da hierdurch für den rechtzeitig um 13:00 Uhr erschienenen Nebenklägervertreter eine zusätzliche Wartezeit von 15 Min. entstanden ist, ist diese ausnahmsweise in die Dauer der Hauptverhandlung einzurechnen. Denn während dieser Wartezeit, die jederzeit mit Erscheinen der Sachverständigen aus der Mittagspause hatte enden können, hat sich der Nebenklägervertreter für die Fortsetzung der Hauptverhandlung dem Gericht zur Verfügung gehalten.
Eine derartige Wartezeit ist ebenso wie eine unvorhergesehene Wartezeit bei Sitzungsbeginn (vgl. hierzu KG, Beschl. v. 25.5.2007 – 1 Ws 36/07 m.w.N.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.8.2005 – 4 Ws 118/05; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.4.2014 – 1 Ws 132/14) oder kleinere Unterbrechungen während der Hauptverhandlung (vgl. hierzu OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.11.2007 – 1 Ws 221/07; OLG München, Beschl. v. 23.10.2008 – 4 Ws 150/08; KG, Beschl. v. 4.8.2009 – 2 StE 2/08-2; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.6.2012 – 2 Ws 83/12 [= AGS 2012, 465]; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.4.2014 – 1 Ws 132/14) ausnahmsweise der Dauer der Hauptverhandlung hinzuzurechnen, weil sich der Anwalt während der Dauer derartiger Wartezeiten oder Unterbrechungen in allen Fällen gleichsam dem Gericht zur Verfügung hält.
Da sich die Mittagspause somit um 15 Min. verkürzt und da die entsprechende Wartezeit der Dauer der Hauptverhandlung zuzurechnen ist, hat die Hauptverhandlung insgesamt 5 h 5 min gedauert, sodass de...