BGB § 288 Abs. 5 S. 2
Leitsatz
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gem. Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl EU Nr. L 48 S. 1) dahin auszulegen, dass der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie genannte Pauschalbetrag von 40,00 EUR auf externe Rechtsverfolgungskosten anzurechnen ist, die infolge des Zahlungsverzugs des Schuldners durch die vorprozessuale Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden und daher nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie zu ersetzen sind?
BGH, EuGH-Vorlage v. 18.1.2018 – III ZR 174/17
1 Sachverhalt
Die Klägerin begehrt im Revisionsverfahren die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung vorinstanzlich teilweise aberkannter vorgerichtlicher Kosten für die Beitreibung einer Entgeltforderung.
Die Beklagte betreibt eine Zimmervermietung. Sie beauftragte die Klägerin mit dem Eintrag von Daten für das Unternehmen in ein Firmenverzeichnis. Nach erfolgtem Eintrag in das Verzeichnis forderte die Klägerin von der Beklagten hierfür die vereinbarte Vergütung. Die Beklagte leistete trotz mehrerer Mahnungen der Klägerin und der von ihr mandatierten Rechtsanwältin keine Zahlung.
Die Klägerin hat daraufhin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Vergütung nebst Zinsen sowie weiterer 112,00 EUR begehrt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer Pauschale von 40,00 EUR gem. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB sowie Rechtsanwaltskosten i.H.v. 72,00 EUR, die von der Klägerin als Verzugskosten geltend gemacht werden. Die Klägerin meint, die Pauschale sei nicht auf die Rechtsanwaltskosten anzurechnen, stehe ihr vielmehr daneben zu.
Das AG hat der Klage bezüglich der Hauptforderung und des überwiegenden Teils der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten stattgegeben, von diesen jedoch 40,00 EUR aberkannt. Das LG hat die vom AG zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre vom LG zugelassene Revision, mit der sie die Restforderung weiterverfolgt.
2 Aus den Gründen
Gem. Art. 267 AEUV ist unter Aussetzung des Revisionsverfahrens eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen, weil die Entscheidung des Senats über die Revision der Klägerin von der Beantwortung der an den Gerichtshof gestellten Frage zur Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl EU Nr. L 48 S. 1; künftig: Zahlungsverzugsrichtlinie) abhängt.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Pauschale von 40,00 EUR gem. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB sei nach § 288 Abs. 5 S. 3 BGB auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anzurechnen. Dies sei mit der Zahlungsverzugsrichtlinie vereinbar. Die Anrechnung der Pauschale trage zwar den Erwägungsgründen 19 und 20 der Richtlinie keine Rechnung, stehe jedoch in Einklang mit deren Art. 6 Abs. 3. Da nach dieser Bestimmung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nur insoweit geltend gemacht werden könnten, als sie die Pauschale von 40,00 EUR überschritten, sei letztere auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anzurechnen.
2. Ob dies der rechtlichen Nachprüfung standhält, hängt von der Beantwortung der dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegten Frage ab.
a) Amts- und LG sind davon ausgegangen, dass die Klägerin von der Beklagten gem. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB Zahlung einer Pauschale von 40,00 EUR verlangen kann und dem Grunde nach auch einen Anspruch gem. § 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 286 Abs. 1 S. 1 BGB auf Ersatz der ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten hat. Dies ist nicht zu beanstanden.
b) Damit kommt es für die Begründetheit des im Revisionsverfahren von der Klägerin – über die von den Vorinstanzen zugesprochenen Beträge hinaus – geltend gemachten Anspruchs i.H.v. 40,00 EUR darauf an, ob die der Klägerin gem. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB zustehende Pauschale von 40,00 EUR auf die ihr bei der Rechtsverfolgung vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten von 72,00 EUR anzurechnen ist oder zusätzlich hierzu geschuldet ist. Eine solche Anrechnung dürfte aus § 288 Abs. 5 S. 3 BGB folgen (nachfolgend zu aa), so dass sich im Hinblick auf eine richtlinienkonforme Auslegung der Norm die Frage stellt, ob sie in diesem Verständnis mit Art. 6 Abs. 3 der Zahlungsverzugsrichtlinie vereinbar ist (nachfolgend zu bb).
aa) Nach Auffassung des Senats ist die der Klägerin gem. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB zustehende Pauschale von 40,00 EUR nach § 288 Abs. 5 S. 3 BGB auf die ihr bei der Verfolgung ihres Anspruchs gegen die Beklagte vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten von 72 EUR anzurechnen.
(1) Nach dem Wortlaut von § 288 Abs. 5 S. 3 BGB ist die Pauschale nach § 288 Abs. 5 S. 1 BGB auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Kosten, die dem Gläubiger durch die nach Eintritt des Verzugs erfolgte Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Forderungsdurchsetzun...