RVG §§ 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 34 Abs. 1; RVG VV Vorbem. 2.3 Abs. 3, Nr. 2300
Leitsatz
- Die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts ist als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten.
- Der auftragsgemäße Entwurf zweier abgestimmter Testamente ist keine die Geschäftsgebühr auslösende Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags.
- Teilt der Rechtsanwalt dem Mandanten eine den gesetzlichen Anforderungen formal entsprechende, aber inhaltlich falsche Berechnung seiner Vergütung mit, kann er die tatsächlich entstandene Vergütung einfordern, soweit sie die berechnete Vergütung nicht übersteigt (Bestätigung von BGH NJW 2007, 2332).
BGH, Urt. v. 22.2.2018 – IX ZR 115/17
1 Sachverhalt
Die Kläger sind Rechtsanwälte. Sie wurden von den in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebenden Beklagten beauftragt, für beide Beklagte Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und aufeinander abgestimmte Testamente zu entwerfen. Die Kläger übersandten den Beklagten die Entwürfe und schlugen ein ihre gesamte Tätigkeit abgeltendes Pauschalhonorar von 2.400,00 EUR zuzüglich 20,00 EUR Auslagenpauschale und gesetzlicher Umsatzsteuer vor. Mit späterem Schreiben bestätigten die Kläger eine telefonische Einigung auf ein Honorar von insgesamt 1.400,00 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer und übersandten eine entsprechende Rechnung. Weil die Beklagten eine Zahlung weiterhin ablehnten, rechneten die Kläger auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 168.000,00 EUR eine 1,6-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV i.H.v. 2.659,20 EUR nebst einer Auslagenpauschale von 20 EUR und 19 v.H. Umsatzsteuer, mithin insgesamt 3.188,25 EUR ab.
Das AG hat der auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerichteten Klage in der Hauptsache stattgegeben, jedoch Zinsen nur ab einem späteren Zeitpunkt zugesprochen. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage.
2 Aus den Gründen
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht (ZEV 2017, 712 [= AGS 2017, 556]) hat ausgeführt: Das AG habe den Klägern zu Recht ein Honorar auf der Grundlage einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV zugesprochen. Die Tätigkeit der Kläger habe nicht lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG ausgelöst. Eine Geschäftsgebühr entstehe für das Betreiben des Geschäfts und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Der den Klägern erteilte Auftrag, zwei inhaltlich dergestalt aufeinander abgestimmte Testamente zu entwerfen, dass der Widerruf des einen Testaments auch den Widerruf des anderen zur Folge gehabt hätte, sei auf den Entwurf von Verfügungen mit vertragsähnlicher Bindung gerichtet gewesen. Dies rechtfertige die Anwendung der Nr. 2300 VV. Die Parteien hätten sich auch nicht auf eine niedrigere Vergütung geeinigt. Die Beklagten hätten die von den Klägern bestätigte Einigung bestritten. Es sei den Klägern auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, die gesetzliche Vergütung zu verlangen, weil bei den Beklagten kein Vertrauen auf eine Honorarvereinbarung begründet worden sei. Die Kläger hätten auch ihre Aufklärungspflicht nach § 49b BRAO nicht verletzt. Es genüge der Hinweis, dass sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Die Höhe der anfallenden Gebühren müsse ein Rechtsanwalt nicht ungefragt mitteilen. Die Behauptung der Beklagten, sie hätten nach den voraussichtlichen Kosten gefragt, sei verspätet und könne deshalb nicht berücksichtigt werden.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Vergütung der Kläger bemisst sich nicht nach § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2300 VV, sondern nach § 34 Abs. 1 RVG.
1. Das durch das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004 geschaffene und am 1.7.2004 in Kraft getretene Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) unterscheidet in seiner seit dem 1.7.2006 geltenden Fassung für den Bereich der außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts zwischen der Tätigkeit der Beratung und derjenigen der Vertretung. Die Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts bestimmt sich gem. § 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Das Vergütungsverzeichnis (fortan: VV) regelt in seinem Teil 2 die Vergütung des Rechtsanwalts für außergerichtliche Tätigkeiten und sieht dort in dem mit "Vertretung" überschriebenen Abschnitt 3 unter Nr. 2300 eine Geschäftsgebühr i.H.v. 0,5 bis 2,5 einer vollen Wertgebühr nach § 13 RVG vor. Die den Abschnitt 3 einleitende Vorbem. 2.3 bestimmt in Abs. 3, dass die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags entsteht. Für die Erteilung eines mündlichen oder schriftlichen Rats oder einer Auskunft (Beratung) sah das RVG in seiner ursprünglichen Fassung eine Rahmengebühr von 0,1 bis 1,0 einer vo...