2.1 Fehlende Notwendigkeit von Anwaltswechsel zwischen den Verfahren
In der Rspr. war weitgehend anerkannt, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO auch dann Anwendung findet, wenn es zwischen selbstständigen Beweisverfahren und dem sich anschließenden Hauptsacheverfahren zu einem Anwaltswechsel kommt.
Der BGH hat diese Rechtsauffassung nunmehr bestätigt und entschieden, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO Anwendung findet. Hierzu hat der BGH ausgeführt, dass berücksichtigt werden müsse, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO Ausdruck des in § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO verankerten Kostenspargebots sei. Obwohl Beweis- und Hauptverfahren jeweils eigene Angelegenheiten darstellen, seien das Beweis- und das Erkenntnisverfahren aber sachlich, zeitlich und hinsichtlich der Beteiligten eng verflochten. Auch berühre § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht das Recht der Partei, einen Anwaltswechsel vorzunehmen, da die Vorschrift nur das Rechtsverhältnis zwischen den Prozessparteien und die Frage regelt, inwieweit in diesem Verhältnis eine Kostenerstattung der ihnen von ihrem jeweiligen Rechtsvertreter in Rechnung gestellten Gebühren und Kosten bei einem Anwaltswechsel vorzunehmen ist. Auch stehe die Tatsache, dass die in Vorbem. 3 Abs. 6 VV enthaltene Anrechnungsregelung grundsätzlich nicht dem Schutz des Prozessgegners diene, der Anwendung von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht entgegen.
Der Prozessgegner hat deshalb die durch den Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten nur zu tragen, wenn der Wechsel notwendig gewesen war. Andernfalls sind durch den Prozessgegner lediglich die Kosten zu erstatten, die ohne Anwaltswechsel entstanden wären, so dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 5 VV zu beachten ist.
Beispiel
Für das Beweisverfahren wird Anwalt A beauftragt. Später wird das Hauptverfahren durchgeführt. Hierfür Anwalt B beauftragt. Der Gegenstandswert beträgt für beide Verfahren jeweils 10.000,00 EUR.
Der Mandant schuldet den von ihm beauftragten Anwälten folgende Gebühren:
Anwalt A
1. |
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
725,40 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
141,63 EUR |
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Gesamt |
887,03 EUR |
Anwalt B
1. |
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
725,40 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
669,60 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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3. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
268,85 EUR |
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Gesamt |
1.683,85 EUR |
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Gesamt A + B |
2.570,88 EUR |
Der erstattungspflichtige Gegner hat jedoch nur zu erstatten:
I. Beweisverfahren
1. |
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
725,40 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
2. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
141,63 EUR |
|
Gesamt |
887,03 EUR |
II. Streitiges Verfahren
1. |
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
725,40 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV |
– 725,40 EUR |
3. |
1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
669,60 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
4. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
5. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
131,02 EUR |
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Gesamt |
820,62 EUR |
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Gesamt I. + II. |
1.707,65 EUR |
Wird nicht dargelegt, weshalb der Anwaltswechsel zwischen beiden Verfahren notwendig war, kann sich der erstattungspflichtige Gegner auf § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO berufen. Mehrkosten, die wegen des Anwaltswechsels entstanden sind, braucht er nicht zu erstatten, so dass die nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV vorzunehmende Anrechnung bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen ist.
2.2 Betreiben des Hauptverfahrens durch WEG-Gemeinschaft
Der BGH hat für einen Fall eine abweichende Rspr. getroffen. Betreiben Erwerber von Wohnungseigentum ein selbstständiges Beweisverfahren mit einem Anwalt ihres Vertrauens und führt die Wohnungseigentümergemeinschaft später aufgrund eines Beschlusses, mit dem sie die Durchsetzung der Rechte der Erwerber auf Beseitigung von Mängeln des Gemeinschaftseigentums an sich gezogen hat, das Hauptsacheverfahren mit einem anderen Anwalt durch, kann die Verfahrensgebühr beider Anwälte im Rahmen der Kostenfestsetzung in Ansatz gebracht werden. Eine Notwendigkeit i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO liegt nach Auffassung des BGH schon deshalb vor, weil der Erwerber und die Wohnungseigentümergemeinschaft die Verfahren aus eigenem Recht einleiten können und nicht verpflichtet sind, sich dabei abzustimmen.