2.1 Gerichtliche Verfahren
Die Regelung des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt neben den Zivilsachen für sämtliche Verfahren, in denen durch die Verfahrensordnungen auf die Vorschrift verwiesen wird. Das gilt deshalb auch für Familienstreitsachen (§ 113 Abs. 1 FamFG), aber auch für die Familiensachen und sonstigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Zwar enthält § 80 FamFG keine Verweisung auf § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO, jedoch schafft § 80 S. 1 FamFG nur einen Erstattungsanspruch wegen der notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, so dass die Notwendigkeit eines Anwaltswechsels gleichfalls zu prüfen ist.
Im Bereich der Strafsachen findet § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO wegen § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO Anwendung, und zwar auch im Verhältnis zwischen Wahl- und Pflichtverteidiger.
In Finanzgerichtssachen bestimmt § 139 Abs. 1 FGO, dass zu den Kosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten gehören. Dazu zählt auch die gesetzliche Vergütung eines Anwalts. Gem. § 155 S. 1 FGO i.V.m. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind jedoch regelmäßig nur die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig. Das gilt auch dann, wenn wegen der Besonderheiten des Steuerprozesses die gleichzeitige Vertretung durch einen Anwalt und einen Steuerberater erforderlich war.
Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bestimmt § 162 Abs. 1 VwGO, dass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu erstatten sind. Erfasst sind wegen § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO ausdrücklich auch die Kosten für einen Anwalt. Es gilt jedoch auch hier, dass die Kosten für einen Anwaltswechsel nur zu erstatten sind, wenn der Wechsel notwendig war. Auch sind die Mehrkosten wegen der gleichzeitigen Beauftragung mehrerer Anwälte nur dann erstattungsfähig, wenn auf einem Rechtsgebiet sehr spezielle Kenntnisse erforderlich sind.
§ 193 Abs. 2 SGG regelt für die Sozialgerichtssachen, dass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig sind. Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist dabei nach § 193 Abs. 3 SGG stets zu erstatten. Gleichwohl sind die durch einen Anwaltswechsel verursachten Mehrkosten nur erstattungsfähig, wenn der Wechsel weder auf einem Verschulden des Auftraggebers noch des ersten Anwalts beruht.
In Arbeitsgerichtssachen ist wegen § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG eine Kostenerstattung, einschließlich der Kosten für einen Anwalt, im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs ausgeschlossen, worauf vor Abschluss einer Vereinbarung über die Vertretung hinzuweisen ist (§ 12a Abs. 1 S. 2 ArbGG). Eine Ausnahme von dem Ausschluss der Kostenerstattung gilt nur für Kosten des Beklagten, die dadurch entstanden sind, dass der Kläger zunächst ein Gericht eines anderen Gerichtszweigs angerufen hat und dieses sodann an ein ArbG verwiesen hat (§ 12a Abs. 3 ArbGG).
Durch die Rspr. ist zwischenzeitlich geklärt, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO auch für einen Anwaltswechsel zwischen Mahn- und streitigen Verfahren (siehe unten IV. 1.) sowie für Beweis- und Hauptsacheverfahren (siehe unten IV. 2.) Anwendung findet, ebenso für die Fälle der Zurückverweisung (siehe unten IV. 4.). Wegen des Verhältnisses von vereinfachten Unterhalts- und streitigen Verfahren sowie Umgangsvermittlungs- und Umgangsverfahren siehe unten IV. 3.
2.2 Außergerichtliche Vertretung
§ 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt nur für die anwaltliche Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren. Für die außergerichtliche Vertretung gilt die Regelung nicht. Der BGH hat hierzu ausgeführt:
"Anwaltsgebühren für eine außergerichtliche Tätigkeit gehören nicht zu diesen Kosten. Wird eine Partei vorprozessual von einem anderen Rechtsanwalt vertreten als im Rechtsstreit, beschränkt § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO deshalb die Erstattung der gerichtlichen Verfahrensgebühr nicht."
Werden daher für die außergerichtliche Tätigkeit und das sich anschließende gerichtliche Verfahren verschiedene Anwälte beauftragt, braucht sich der für das gerichtliche Verfahren beauftragte Anwalt die vorprozessuale Geschäftsgebühr nicht nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anrechnen zu lassen. Die Prozessgegner kann sich darüber hinaus auch nicht auf § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO berufen, da die Regelung nur für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren gilt.
Das OLG Koblenz hat jedoch darauf hingewiesen, dass die Erstattung der nicht um die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV geminderten Verfahrensgebühr dann Einschränkungen unterliegen kann, wenn die Partei mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung offensichtlich ohne jedes Eigeninteresse, z.B. um zum Schaden der Gegenseite zusätzliche anwaltliche Gebührenansprüche auszulösen, verschiedene Anwälte beauftragt hat. Hierfür müssen sich aber Anhaltspunkte ergeben.
Beispiel
Wegen der außergerichtlichen Geltendm...