1. Mahnverfahren und streitiges Verfahren
Der BGH hat festgestellt, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO auch für den Fall eines Anwaltswechsels zwischen Mahn- und dem streitigen Verfahren Anwendung findet, da auch hier der Grundsatz gilt, dass jede Partei die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten hat, wie es sich mit einer ihre Rechte wahrenden Prozessführung verträgt, was durch § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO zum Ausdruck komme. Unerheblich sei deshalb auch, dass es sich bei dem Mahn- und streitigem Verfahren gem. § 17 Nr. 2 RVG um verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten handele, denn maßgeblich sei, dass das Mahnverfahren mit dem streitigen Verfahren so eng verflochten ist, dass es als Teil des Rechtsstreits i.S.v. § 91 ZPO zu betrachten sei.
Der Prozessgegner hat deshalb lediglich die Kosten zu erstatten, die ohne Anwaltswechsel angefallen wären. Da die im Mahnverfahren entstandenen Verfahrensgebühren der Nr. 3305 VV (Vertretung des Antragstellers) bzw. Nr. 3307 VV (Vertretung des Antragsgegners) auf die im streitigen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr anzurechnen sind (Anm. zu Nr. 3305, 3307 VV), kann auch bei einem nicht notwendigen Anwaltswechsel zwischen den beiden Verfahren vom Gegner nur der um die Anrechnungsbeträge gekürzte Betrag verlangt werden.
Liegt der äußerst seltene Fall vor, dass bereits im Mahnverfahren eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV entstanden ist, muss diese wegen der Anrechnungsvorschrift in Anm. Abs. 4 zu Nr. 3104 VV auf die im streitigen Verfahren entstandene Terminsgebühr angerechnet werden, so dass auch insoweit nicht erstattungsfähige Mehrkosten vorliegen.
Beispiel
Mahnverfahren wegen 8.000,00 EUR. Es wird Anwalt A beauftragt. Nach Widerspruch wird die Durchführung des streitigen Verfahrens wegen 8.000,00 EUR beantragt. Für das streitige Verfahren wird Anwalt B beauftragt.
Der Mandant schuldet den von ihm beauftragten Anwälten folgende Gebühren:
Anwalt A
1. |
1,0 Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV |
456,00 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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2. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
90,44 EUR |
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Gesamt |
566,44 EUR |
Anwalt B
1. |
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
592,80 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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2. |
1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
547,20 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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3. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
220,40 EUR |
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Gesamt |
1.380,40 EUR |
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Gesamt A + B |
1.946,84 EUR |
Der erstattungspflichtige Gegner hat jedoch nur zu erstatten:
I. Mahnverfahren
1. |
1,0 Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV |
456,00 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
2. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
90,44 EUR |
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Gesamt |
566,44 EUR |
II. Streitiges Verfahren
1. |
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
592,80 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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2. |
anzurechnen gem. Anm. zu Nr. 3305 VV, 1,0-Gebühr |
– 456,00 EUR |
3. |
1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
547,20 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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4. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
5. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
133,76 EUR |
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Gesamt |
837,76 EUR |
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Gesamt I. + II. |
1.404,20 EUR |
Der erstattungspflichtige Gegner kann sich auf § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO berufen. Mehrkosten, die wegen des Anwaltswechsels entstanden sind, braucht er nicht zu erstatten, wenn nicht deren besondere Notwendigkeit dargelegt wird. Die nach Anm. zu Nr. 3305 VV vorzunehmende Anrechnung ist bei der Kostenfestsetzung daher zu berücksichtigen.
2. Beweis- und Hauptsacheverfahren
2.1 Fehlende Notwendigkeit von Anwaltswechsel zwischen den Verfahren
In der Rspr. war weitgehend anerkannt, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO auch dann Anwendung findet, wenn es zwischen selbstständigen Beweisverfahren und dem sich anschließenden Hauptsacheverfahren zu einem Anwaltswechsel kommt.
Der BGH hat diese Rechtsauffassung nunmehr bestätigt und entschieden, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO Anwendung findet. Hierzu hat der BGH ausgeführt, dass berücksichtigt werden müsse, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO Ausdruck des in § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO verankerten Kostenspargebots sei. Obwohl Beweis- und Hauptverfahren jeweils eigene Angelegenheiten darstellen, seien das Beweis- und das Erkenntnisverfahren aber sachlich, zeitlich und hinsichtlich der Beteiligten eng verflochten. Auch berühre § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht das Recht der Partei, einen Anwaltswechsel vorzunehmen, da die Vorschrift nur das Rechtsverhältnis zwischen den Prozessparteien und die Frage regelt, inwieweit in diesem Verhältnis eine Kostenerstattung der ihnen von ihrem jeweiligen Rechtsvertreter in Rechnung gestellten Gebühren und Kosten bei einem Anwaltswechsel vorzunehmen ist. Auch stehe die Tatsache, dass die in Vorbem. 3 Abs. 6 VV enthaltene Anrechnungsregelung grundsätzlich nicht dem Schutz des Prozessgegners diene, der Anwendung von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht entgegen.
Der Prozessgegner hat deshalb die durch den Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten nur zu tragen, wenn der Wechsel notwendig gewesen war. Andernfalls sind durch den Prozessgegner lediglich die Kosten zu erstatten, die ohne Anwaltswechsel entstanden wären, so dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 5 VV zu beachten ist.
Beispiel
Für das Beweisverfahren wird Anwalt A beauftragt. Später wird das Hauptverfahren durchgefüh...