GKG § 39 Abs. 1
Leitsatz
Beim Parteiwechsel auf Beklagtenseite findet eine Addition der Einzelstreitwerte nach § 39 Abs. 1 GKG nicht statt, soweit die Streitgegenstände gegen den ausgeschiedenen und neuen Beklagten wirtschaftlich identisch sind.
OLG München, Beschl. v. 5.2.2018 – 29 W 1855/17
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte mit der Klage zunächst gegen die frühere Beklagte zu 1) einen Unterlassungsanspruch sowie einen Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten i.H.v. 458,68 EUR nebst Zinsen hieraus geltend gemacht. Den Streitwert für den Unterlassungsanspruch wegen des Fehlens von Angaben nach § 16a EnEV hat er mit 50.000,00 EUR beziffert, da die frühere Beklagte zu 1) am 11./12.6.2016 sowie – trotz zwischenzeitlicher Abmahnung v. 23.6.2016 – erneut am 27./28.8.2016 im "D.-kurier" Einfamilienhäuser ohne die Pflichtangaben nach § 16a EnEV angeboten habe. Die Einzelstreitwerte hat er für den ersten Verstoß mit 30.000,00 EUR und für den zweiten Verstoß mit 20.000,00 EUR beziffert.
Mit Schriftsatz v. 26.1.2017 hat der Kläger einen Parteiwechsel auf Beklagtenseite vorgenommen und gegen den Beklagten zu 2) einen Unterlassungsanspruch wegen des Fehlens von Angaben nach § 16a EnEV in der Anzeige v. 27./28.8.2016 sowie Abmahnkosten i.H.v. 229,34 EUR nebst Zinsen hieraus geltend gemacht.
Auf Antrag hat das LG durch Beschl. v. 2.5.2017 dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der ausgeschiedenen Beklagten zu 1) gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO auferlegt.
Der Beklagte zu 2) hat die gegen ihn gestellten Klageanträge anerkannt, worauf das LG ein Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil erlassen hat. Die Kostenentscheidung in Nr. 3. dieses Urteils lautet wie folgt:
"Von den Gerichtskosten trägt der Kläger 62 % und trägt der Beklagte zu 2) 38 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 2) 38 %. Der Kläger und der Beklagte zu 2) tragen im Übrigen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) verbleibt es beim Beschl. v. 2.5.2017."
Das LG hat sodann den Streitwert auf 80.000,00 EUR festgesetzt (§ 39 Abs. 1 GKG) und festgestellt, dass die Einzelstreitwerte in den Prozessrechtsverhältnissen des Klägers zur Beklagten zu 1) 50.000,00 EUR sowie zum Beklagten zu 2) 30.000,00 EUR betragen.
Gegen die Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er beantragt, dem Beklagten zu 2) die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
2 Aus den Gründen
Die fristgerecht eingelegte und auch i.Ü. zulässige sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Kostenentscheidung in Nr. 3 des Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteils des LG ist teilweise begründet.
Die Kostenentscheidung des LG war im tenorierten Umfang abzuändern und beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. I.Ü. war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
1. Entgegen der Auffassung des LG sind im Streitfall bei dem vom Kläger vorgenommenen Parteiwechsel auf Beklagtenseite die Einzelstreitwerte nicht gem. § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt auch bei einem Parteiwechsel grundsätzlich die letztlich unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Im Fall eines vom Kläger ausgehenden Beklagtenwechsels hat der Kläger entsprechend § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO die außergerichtlichen Kosten des ausscheidenden Beklagten und überdies die Mehrkosten zu tragen, die ohne den Parteiwechsel nicht angefallen wären. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat grundsätzlich der neue Beklagte zu tragen, soweit er unterliegt (vgl. BGH GRUR 2015, 159 Rn 126 – Zugriffsrechte m.w.N.; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl., 2016, § 263 Rn 109).
Damit findet beim Parteiwechsel auf Beklagtenseite eine Addition der Einzelstreitwerte nach § 39 Abs. 1 GKG nicht statt, soweit die Streitgegenstände gegen den ausgeschiedenen und neuen Beklagten wirtschaftlich identisch sind (vgl. auch Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl., 2014, § 39 GKG Rn 2). Ob im Falle einer Klageänderung nach § 263 ZPO ohne Parteiwechsel die Werte wirtschaftlich nicht identischer Streitgegenstände zur Bestimmung des Gebührenstreitwerts auch dann nach § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen sind, wenn sie lediglich nacheinander und nicht gleichzeitig nebeneinander geltend gemacht werden (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 2010, 648 Rn 21. ff. m.w.N. [= AGS 2011, 86]; a.A. OLG München NJW-RR 2017, 243), kann vorliegend dahin stehen.
2. Im Streitfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger den Unterlassungsanspruch gegen die frühere Beklagte zu 1) auf die beiden Verstöße v. 11./12.6.2016 sowie 27./28.8.2016 gestützt und insoweit den Streitwert mit 50.000,00 EUR beziffert hat, während er nach dem Parteiwechsel den Unterlassungsanspruch gegen den neuen Beklagten zu 2) nur noch auf den Verstoß v. 27./28.8.2016 gestützt hat. Insoweit sind durch die ursprüngliche Klage gegen die Beklagte zu 1) Mehrkosten entstanden, die der Kläger zu tragen hat.
a) Entgegen der Streitwertangabe des Klägers und der Streitwertfestsetzun...