RVG § 37; RVG VV Nr. 3210; BVerfGG § 25 Abs. 2
Leitsatz
Im Verfahren vor dem BVerfG entsteht keine Terminsgebühr, wenn das BVerfG ohne mündliche Verhandlung im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG entscheidet.
FG Hamburg, Beschl. v. 22.1.2018 – 4 K 84/17
1 Sachverhalt
Im Hauptsacheverfahren war zwischen den Beteiligten streitig, ob die Klägerin und Erinnerungsführerin, die ein Kernkraftwerk betreibt, zur Entrichtung von Kernbrennstoffsteuer aufgrund des Kernbrennstoffsteuergesetzes verpflichtet war.
Die Klägerin hatte Klage gegen die Steueranmeldung in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erhoben, die beim FG geführt wurde. Der beschließende Senat hatte daraufhin dem BVerfG das Kernbrennstoffsteuergesetz gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG zur Prüfung vorgelegt, ob dieses mit den grundgesetzlichen Regelungen zur Gesetzgebungskompetenz vereinbar ist, und das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG ausgesetzt.
Mit Beschl. v. 13.4.2017 (2 BvL 6/13) erklärte das BVerfG das Kernbrennstoffsteuergesetz v. 8.12.2010 (BGBl I S. 1804) mit Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG unvereinbar und damit für nichtig; der Beschluss des BVerfG wurde am 7.6.2017 veröffentlicht.
Der beschließende Senat hat das Verfahren daraufhin von Amts wegen wieder aufgenommen und die Beteiligten gebeten, zur Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vorzutragen. Das beklagte Hauptzollamt hat daraufhin die angefochtene Steueranmeldung aufgehoben und mitgeteilt, dass der von der Klägerin geleistete Steuerbetrag erstattet werde.
Nachdem die Beteiligten in der Folge das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt hatten, hat der Senat dem beklagten Hauptzollamt die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Daraufhin hatte die Klägerin und Erinnerungsführerin Kostenfestsetzungsantrag gestellt, der u.a. auch eine Terminsgebühr für das Verfahren vor dem BVerfG beinhaltete Der Urkundsbeamte hat die Terminsgebühr abgesetzt.
Eine Terminsgebühr vor dem BVerfG sei nicht verdient; denn ein Termin habe vor dem BVerfG nicht stattgefunden.
Die hiergegen geführte Erinnerung hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die von der Klägerin und Erinnerungsführerin geforderte Terminsgebühr für das Verfahren vor dem BVerfG kann nicht festgesetzt werden.
Nach § 37 Abs. 2 S. 1 RVG gelten in sonstigen – d.h. in § 37 Abs. 1 RVG nicht erwähnten – Verfahren vor dem BVerfG die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 VV entsprechend. Da das Verfahren der konkreten Normenkontrolle in § 37 Abs. 1 RVG nicht angesprochen wird, bemessen sich im Streitfall die Gebühren des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin nach § 37 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 VV.
Danach (Nr. 3210 VV) entsteht eine Terminsgebühr grundsätzlich nur aufgrund einer mündlichen Verhandlung, die im Streitfall indes nicht stattgefunden hat. Über das vom beschließenden Senat angestoßene Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 13 Nr. 11 BVerfGG hat das BVerfG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden (vgl. § 25 Abs. 2 BVerfGG).
Allerdings ist in Nr. 3210 VV bestimmt, dass Abs. 1 Nr. 1 und 3 sowie die Abs. 2 und 3 der Anm. zu Nr. 3104 und Abs. 2 der Anm. zu Nr. 3202 VV entsprechend gelten. Nach dem insoweit allein in Betracht kommenden Abs. 1 der Nr. 3104 VV entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Die Voraussetzungen dieses Gebührentatbestandes sind hinsichtlich des Streitfalles jedoch nicht erfüllt. Denn das BVerfG hat über das Normenkontrollverfahren, für das grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (vgl. § 25 Abs. 1 BVerfGG), nicht im Einverständnis mit allen Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Das Normenkontrollverfahren ist seinem Wesen nach ein von subjektiven Berechtigungen unabhängiges, objektives Verfahren zum Schutz der Verfassung und dient lediglich der Prüfung von Rechtsnormen am Maßstab des Grundgesetzes (BVerfG, Beschl. v. 22.4.1953 – 1 BvL 18/52, BVerfGE 2, 213). An einem solchen Verfahren ist begrifflich notwendig niemand "beteiligt", so dass als "Beteiligte" nur die Verfassungsorgane gelten können, die durch Ausübung des ihnen in § 82 Abs. 2 BVerfGG gewährten Beitrittsrechts eine besondere Rechtsstellung im Verfahren gewonnen haben (BVerfG, Beschl. v. 22.4.1953 –1 BvL 18/52, BVerfGE 2, 213). Dem vorliegend in Rede stehenden Verfahren vor dem BVerfG (2 BvL 6/13) ist keines der in § 82 Abs. 1 i.V.m. § 77 BVerfGG genannten Verfassungsorgane beigetreten. Die Stellungnahme eines Verfassungsorgans – hier der Bundesregierung – stellt für sich allein keinen Beitritt i.S.d. § 82 Abs. 2 BVerfGG dar. Die Klägerin als Beteiligte des Verfahrens vor dem Gericht, das den Normenkontrollantrag gestellt hat, erhält zwar nach § 82 Abs. 2 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung. Sie ist bzw. war indes nicht Beteiligte i.S.d. § 25 Abs. 1 BVerfGG.
Ob das BVerfG über den Normenko...