RVG § 15a RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4

Leitsatz

Klagt der Zessionar aus abgetretenem Recht einen durch seinen Prozessbevollmächtigten namens des Zedenten vorgerichtlich geltend gemachten Anspruch ein, so ist die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV auf die im Klageverfahren anfallende Verfahrensgebühr anzurechnen.

BGH, Beschl. v. 29.11.2011 – XI ZB 16/11

1 Sachverhalt

Die Parteien streiten im Verfahren der Kostenfestsetzung darum, ob bei der Berechnung der von der Beklagten der Klägerin zu erstattenden Kosten die geltend gemachte Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) in voller Höhe anzusetzen ist, oder ob auf diese Gebühr bei der Kostenfestsetzung gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV die für die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten angefallene Geschäftsgebühr teilweise anzurechnen ist.

Der instanzgerichtliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin (im Folgenden: Klägervertreter) wandte sich mit Schreiben vom 3.5.2007 an die Beklagte und machte im Namen der Zedentin Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend. Hierfür stellte er der Zedentin mit der über 3.085,19 EUR lautenden Gebührenrechnung eine 1,9-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV in Rechnung. Nachdem das im Namen der Zedentin an die Beklagte gerichtete Schreiben erfolglos geblieben war, trat die Zedentin ihre Ansprüche an die Klägerin ab, die die Beklagte aus abgetretenem Recht mit der Klage in Anspruch nahm. Gegenstand der Klage waren unter anderem die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten von 3.085,19 EUR. Mit Urteil des LG wurde die Beklagte insoweit antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung führte das LG aus, die Klägerin habe einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren, da der Ansatz einer 1,9-fachen Gebühr angesichts der Komplexität der Materie nicht von vornherein unbillig erscheine. Das OLG hat das landgerichtliche Urteil mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten i.H.v. 3.085,19 EUR zu. Die Kosten des Rechtsstreits hat es in vollem Umfang der Beklagten auferlegt.

Das LG hat im Kostenfestsetzungsverfahren die Erstattungsfähigkeit der vom Klägervertreter geltend gemachten vollen Verfahrensgebühr abgelehnt und mit Kostenfestsetzungsbeschluss eine Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 0,65 auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das OLG zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Klägervertreter habe unstreitig wegen seiner außergerichtlichen Tätigkeit eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV verdient. Diese sei jedenfalls in dem vom LG vorgenommenen Umfang gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV auf die vom Klägervertreter zur Erstattung angemeldete Verfahrensgebühr anzurechnen, weil diese wegen desselben Gegenstands entstanden sei. Der Gegenstand werde durch den Auftrag des Auftraggebers bestimmt; dabei sei die Frage, ob ein Gegenstand vorliege oder zwei Gegenstände anzunehmen seien, anhand einer wirtschaftlichen Betrachtung zu beantworten. Dies führe – wenn sich wie im Streitfall ergebe, dass es um denselben Anspruch und dasselbe Recht gehe – bei einem Auftrag der Zedentin zur außergerichtlichen Tätigkeit und einem weiteren Auftrag der Zessionarin zur gerichtlichen Tätigkeit nicht dazu, dass von zwei Gegenständen auszugehen sei; auch in diesem Fall betreffe die Tätigkeit vielmehr denselben Gegenstand. Dies entspreche auch Sinn und Zweck der Anrechnung, mit der der Arbeitsersparnis des Rechtsanwalts Rechnung getragen werden solle. Die Anrechnung sei im Verhältnis zur Beklagten gem. § 15a Abs. 2 RVG zu berücksichtigen, da die Geschäftsgebühr durch das Urteil des OLG tituliert worden sei. Die Verurteilung beziehe sich ausweislich des Berufungsurteils und der Klagebegründung unzweifelhaft auf die infolge der vorgerichtlichen Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr des Klägervertreters.

Die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Zu Recht hat das Beschwerdegericht die außergerichtliche Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV auf die vom Klägervertreter verdiente Verfahrensgebühr angerechnet und dabei angenommen, die Beklagte könne sich nach § 15a Abs. 2, Fall 2 RVG auf die Anrechnung berufen, weil wegen des Anspruches auf die Geschäftsgebühr bereits ein Vollstreckungstitel vorliege. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde fehlt es weder an einer ausreichenden Titulierung i.S.d. § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG (dazu unten 1.) noch scheidet eine Anrechnung mangels Gegenstandsidentität i.S.v. Vorbem. 3 Abs. 4 VV aus (dazu unten 2.).

1. Dass § 15a RVG auf den Streitfall Anwendung findet, wird von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht in Frage gestellt. In der Rspr. des BGH ist mittlerweile geklärt, dass sich die Anrechnungsvorschrift des § 15a RVG auch in Kostenfestsetzungsverfahren, die vor Inkrafttreten des § 15a RVG entstandene Gebühren betreffen, grundsätzlich nicht auswirkt, eine Anrechnung de...

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