1. § 1 RVG-E
In § 1 RVG soll ein neuer Abs. 3 eingefügt werden mit folgendem Wortlaut:
§ 1 Geltungsbereich
…
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.
Der neue § 1 Abs. 3 RVG-E soll klarstellen, dass sich Rechtsbehelfe und Rechtsmittel in den Kostenverfahren des RVG ausschließlich nach den Vorschriften dieses Gesetzes, also nach den Vorschriften des RVG, richten. Diese Ergänzung entspricht vergleichbaren Regelungen in anderen Kostengesetzen. Auch hier werden entsprechende Klarstellungen vorgenommen (so z.B. § 1 Abs. 6 GNotKG-E; § 1 Abs. 5 GKG-E; § 1 Abs. 2 FamGKG-E).
In erster Linie richtet sich der neue § 1 Abs. 3 RVG an die Sozialgerichtsbarkeit. Obwohl die gesetzliche Regelung an sich eindeutig ist und in den Kostenverfahren nach dem RVG auch nur die Regelung zu den Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln des RVG gelten können, setzt sich die Rspr. in der Sozialgerichtsbarkeit – in u.E. verfassungswidriger Weise (Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4, 20 GG) – darüber hinweg und wendet Rechtsmittelbeschränkungen an, die sich aus dem SGG ergeben.
So erklären die Landessozialgerichte überwiegend in Verfahren auf Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung die im Gesetz vorgesehene Beschwerde nach § 56 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG für nicht statthaft, weil nach dem SGG (§ 197 Abs. 2 SGG) eine Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ausgeschlossen ist.
Diese Gesetzesauslegung ist rechts- und verfassungswidrig, weil sie die vom Gesetz vorgesehenen Rechtsmittelmöglichkeiten willkürlich beschränkt. Nur wenige Gerichte haben zutreffend erkannt, dass die §§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 bis 8 RVG die spezielleren Vorschriften sind und das SGG in Verfahren auf Festsetzung der PKH-Vergütung gar nicht anwendbar ist. Der Gesetzgeber hat für die Kostenverfahren nach dem RVG vielmehr eigenständige Regelungen getroffen. Diese Regelungen sind unabhängig davon, vor welcher Gerichtsbarkeit das zugrunde liegende Verfahren geführt worden ist. Die Verfahren nach dem RVG richten sich eben gerade nicht nach der jeweiligen Prozessordnung (ZPO, FamFG, StPO, SGG, FGO oder VwGO). Nur in den Fällen, in denen das RVG ausdrücklich auf die jeweilige Prozessordnung verweist, ist diese entsprechend heranzuziehen. Dieser Fall ist aber nur in §§ 11 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2, 52 Abs. 4 RVG vorgesehen, nicht in den sonstigen Festsetzungsverfahren.
Um diese rechtswidrige Rspr. für die Zukunft auszuschließen, beabsichtigt der Gesetzgeber daher künftig ausdrücklich klarzustellen, dass sich Rechtsbehelfe und Rechtsmittel in den Kostenverfahren des RVG ausschließlich nach den Vorschriften des RVG richten und Besonderheiten der jeweiligen Prozessordnungen nicht herangezogen werden dürfen.
Beispiel 1: Beschwerde gegen Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung in der Sozialgerichtsbarkeit
Der Anwalt hatte die Festsetzung seiner Vergütung i.H.v. insgesamt 714,00 EUR (Verfahrensgebühr 300,00 EUR, Terminsgebühr 280,00 EUR nebst 20,00 EUR Auslagen und Umsatzsteuer) beantragt. Das SG hat die Terminsgebühr in Höhe von 280,00 EUR nebst Umsatzsteuer abgesetzt. Die dagegen gem. § 56 Abs. 1 RVG erhobene Erinnerung wurde zurückgewiesen. Gegen diesen die Erinnerung zurückweisenden Beschluss kann der Anwalt gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG Beschwerde einlegen. Der erforderliche Beschwerdewert ist erreicht. Dass nach § 197 Abs. 2 SGG eine Beschwerde gegen eine Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten ausgeschlossen ist, ist unerheblich, da sich die Beschwerde nicht nach dem SGG, sondern nach dem RVG richtet.
Damit wird klargestellt, dass auch im Rahmen der Festsetzung der Prozesskostenhilfe vor den Sozialgerichten folgendes Rechtsmittelgefüge gegeben ist.
(1) Gegen die Festsetzung des Urkundsbeamten nach § 55 RVG ist gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG die Erinnerung gegeben. Die Erinnerung ist unbefristet.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist die Beschwerde zum nächst höheren Gericht – ausgenommen zu einem Gericht des Bundes (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 3 RVG) – gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde in der Entscheidung über die Erinnerung zugelassen worden ist (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG). Die Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen eingelegt werden (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG).
(3) Eine weitere Beschwerde ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht möglich.
(4) Ebenso wenig ist eine Rechtsbeschwerde vorgesehen.
(5) Möglich wäre in Verfahren über die Erinnerung oder Beschwerde noch eine Gehörsrüge nach § 12a RVG, sofern kein Rechtsmittel möglich ist. Im Festsetzungsverfahren selbst kommt die Gehörsrüge wegen der unbefristeten und wertunabhängigen Möglichkeit der Erinnerung nicht in Betracht.