GG Art. 2, 12 ZPO §§ 91, 485
Leitsatz
Ist bei Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens nicht absehbar, dass ein Hauptsacheverfahren nachfolgt, in dem das Mandat des ursprünglich beauftragten Anwalts zunächst fortdauert, dann jedoch wegen altersbedingter Rückgabe der Zulassung nicht weitergeführt werden kann, sind die durch den Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten erstattungsfähig (Klarstellung zu OLG Koblenz JurBüro 2006, 543).
OLG Koblenz, Beschl. v. 3.6.2011 – 14 W 315/11
1 Sachverhalt
Nachdem der Kläger am 17.12.2008 ein selbstständiges Beweisverfahren gegen die Beklagte angestrengt hatte, bestellte sich für diese am 8.1.2009 Rechtsanwalt C. und vertrat sie bis zum Ende des Verfahrens im Dezember 2009. Rechtsanwalt C. bestellte sich unter dem 9.4.2010 auch im Verfahren der Hauptsache, dessen Kostenfestsetzung hier ansteht. Er kündigte dabei an, dass er demnächst seine Kanzlei aus Altersgründen schließen werde. Für die Beklagte übernahm daher unter dem 21.4.2010 ihr jetziger Prozessbevollmächtigter das Mandat.
Mit Urt. v. 12.11.2010 wurden dem Kläger 21/23 der Verfahrenskosten, selbstständiges Beweisverfahren eingeschlossen, auferlegt. Der Bevollmächtigte der Beklagten meldete seine Kosten unter Berücksichtigung einer 1,3-Verfahrensgebühr und einer 1,2-Terminsgebühr an. Zugleich reichte er die Kostennote des Rechtsanwalts C. ein über eine 1,3-Verfahrensgebühr für dessen Tätigkeit im selbstständigen Beweisverfahren.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss ist die Rechtspflegerin davon ausgegangen, dass ein notwendiger Anwaltswechsel nicht vorgelegen habe. Die in dem selbstständigen Beweisverfahren angefallene Verfahrensgebühr von 487,50 EUR sei auf die seitens des Vertreters der Beklagten geltend gemachte Verfahrensgebühr anzurechnen.
Dem tritt die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde entgegen, weil im Zeitpunkt der Beauftragung von Rechtsanwalt C. im selbstständigen Beweisverfahren (Januar 2009) noch nicht abzusehen gewesen sei, dass dieser seine Anwaltskanzlei schließen werde.
Die zulässige sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Eine Anrechnung der von Rechtsanwalt C. im selbstständigen Beweisverfahren verdienten Verfahrensgebühr auf die im Verfahren der Hauptsache vom Bevollmächtigten der Beklagten verdiente Verfahrensgebühr findet nicht statt. Unter Berücksichtigung der in der Kostengrundentscheidung festgesetzten Quote sind der Beklagten weitere 445,11 EUR nebst Zinsen zu erstatten (487,50 x 21/23).
1. Das OLG München hat 2007 (JurBüro 2007, 596), entgegen der bis dahin herrschenden und auch von ihm vertretenen Auffassung, entschieden:
"Hatte der Parteivertreter der erstattungsberechtigten Partei während des Rechtsstreits seine Zulassung zurückgegeben und musste die Partei deshalb einen neuen Parteivertreter beauftragen, sind die Mehrkosten erstattungsfähig. Die materiell-rechtliche Frage, ob der erste Prozessbevollmächtigte überhaupt einen Vergütungsanspruch gegen die Partei hat, ist im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen (Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung, AnwBl 2002, 117)".
Würde man dieser Rechtsauffassung folgen, so hätte die Beschwerde ohne weitere Prüfung Erfolg. Der Einzelrichter müsste die Sache dem Senat übertragen, damit dieser prüft, ob er an seiner bisherigen Rspr. festhält.
2. Ob der Entscheidung des OLG München zu folgen ist, kann aber dahinstehen. Denn die sofortige Beschwerde hat auch nach der ständigen Senatsrspr. Erfolg, so dass die Übertragung auf den Senat zu unterbleiben hat. Nach der bisherigen Auffassung des Senats gilt (JurBüro 2006, 543):
"... Danach sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte insoweit zu erstatten, als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Das ist der Fall, wenn weder der Partei noch dem Rechtsanwalt angelastet werden kann, dass es zu der neuen Mandatserteilung kam. So verhält es sich auch hier. Der Streithelfer hat unwidersprochen vorgetragen, der zunächst beauftragte Prozessvertreter habe seine Zulassung unverschuldet zurückgeben müssen, da er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu einer Fortführung seiner Berufstätigkeit in der Lage gewesen sei. Der Erstattungsanspruch der Partei ist nur eingeschränkt, wenn der erste Anwalt das Mandat ungerechtfertigt kündigt oder bereits bei der Mandatsübernahme absehen konnte, dass er nicht in der Lage sein würde, den Auftrag zu Ende zu führen dann ergeben sich nämlich für die Partei Leistungsverweigerungsrechte im Hinblick auf den anwaltlichen Gebührenanspruch (§ 628 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. ein auf § 280 Abs. 1 BGB gestützter Arglisteinwand). Dafür ist hier jedoch nichts dargetan."
Dazu hat die Beklagte mit ihrer Beschwerde mitgeteilt:
"Durch die Übernahme der Klageverteidigung seitens Herrn Rechtsanwalt Dieter C. sind keine weiteren Anwaltskosten entstanden, da die Verfahrensgebühr in dem streitigen Verfahren vor dem LG Bad Kreuznach bereits in der Verfahrensgebühr für das selbstständige Beweisverfahren aufgegangen ist. Es ist demgemäß auf den Zeitpunkt der Bestellung von Herrn Rechtsanw...