RVG § 22 Abs. 1; RVG VV Nr. 1008
Leitsatz
- Vertritt ein Anwalt mehrere Eigentümer verschiedener Grundstücke in einem Normenkontrollverfahren, so liegen dem Verfahren unterschiedliche Gegenstände zugrunde, sodass sich die Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert der Grundstücke berechnet. Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV kommt daneben nicht in Betracht.
- Soweit eines der Grundstücke im Miteigentum mehrerer Antragsteller steht, ist aus dem Wert dieses Grundstücks eine Gebührenerhöhung zu berechnen.
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.3.2012 – 2 D 63/09.NE
1 Aus den Gründen
Der Kostenfestsetzungsantrag der Prozessbevollmächtigten ist sowohl hinsichtlich der angesetzten Erhöhungsgebühr (dazu 1.) als auch hinsichtlich des mit 2/5 angesetzten Gebührenanteils der Antragsteller zu 4. und 5. (dazu 2.) fehlerhaft.
1. Die nach Nr. 3200 VV angefallene 1,6-fache Verfahrensgebühr ist nicht deshalb nach Nr. 1008 VV um den 1,2-fachen Gebührensatz zu erhöhen, weil die Prozessbevollmächtigten im Normenkontrollverfahren für insgesamt fünf Auftraggeber tätig geworden sind.
Vertritt ein Rechtsanwalt in demselben Verfahren mehrere Auftraggeber, entsteht ihm regelmäßig ein höherer Aufwand, als dies beim Tätigwerden für nur einen Mandanten der Fall wäre. Um diesen Mehraufwand zu vergüten, sieht das Kostenrecht zwei im Ansatz unterschiedliche Wege vor: Dies kann durch eine Erhöhung des Streit- bzw. Gegenstandswerts bei unverändertem Gebührensatz oder durch eine Erhöhung des Gebührensatzes bei unverändertem Streit-/Gegenstandswert geschehen. Auf welchem dieser Wege eine Vergütung des Mehraufwands des Rechtsanwalts erfolgt, hängt davon ab, ob seine Tätigkeit für mehrere Mandanten sich auf einen oder mehrere Verfahrensgegenstände bezieht. Ist die Vertretung mehrerer Personen zugleich mit mehreren Verfahrensgegenständen verbunden, sind nach § 22 Abs. 1 RVG die Werte dieser unterschiedlichen Verfahrensgegenstände zusammenzurechnen. Eine Erhöhung des Gebührensatzes erfolgt hingegen nicht, denn Anm. Abs. 1 zu Nr. 1008 VV sieht eine solche nur vor, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für die mehreren Auftraggeber derselbe ist. Der erhöhte Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts ergibt sich in diesen Fällen – trotz gleichbleibenden Gebührensatzes – aus den nach § 13 RVG mit der Höhe des Streit-/Gegenstandswerts steigenden Gebühren. Werden hingegen mit Blick auf denselben Verfahrensgegenstand mehrere Personen vertreten, bleibt der Streit-/Gegenstandswert und mit ihm die Höhe der nach § 13 RVG berechneten einzelnen Gebühr unverändert. Um den durch die Tätigkeit für mehrere Mandanten erhöhten Aufwand des Rechtsanwalts zu vergüten, sieht Nr. 1008 VV für diesen Fall eine Erhöhung des Gebührensatzes um 0,3 für jeden zusätzlichen Auftraggeber vor, wobei mehrere Erhöhungen zusammengenommen einen Gebührensatz von 2,0 nicht überschreiten dürfen. Das RVG enthält keine Legaldefinition des Gegenstands im gebührenrechtlichen Sinne. Ob die Tätigkeit eines Rechtsanwalts für mehrere Mandanten denselben oder unterschiedliche Verfahrensgegenstände betrifft, ist im Einzelfall anhand der konkret wahrgenommenen Angelegenheiten zu ermitteln. Ein einheitlicher Gegenstand im gebührenrechtlichen Sinne ist nur gegeben, wenn der Rechtsanwalt für seine mehreren Auftraggeber wegen desselben konkreten Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig geworden ist (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 19.12.2011 – 18 E 1299/11 m. w. Nachw., u. v. 21.12.1998 – 10a D 53/95.NE (zur Anfechtung eines Bebauungsplans im Auftrag mehrere Eigentümer desselben Grundstücks); OLG Jena, Beschl. v. 18.7.2011 – 9 W 254/11; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.6.2008 – 14 W 404/08).
Gemessen daran sind die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller hier wegen mehrerer – nämlich insgesamt vier verschiedener – Gegenstände im gebührenrechtlichen Sinne tätig geworden. Dies ergibt sich daraus, dass die Antragsteller zu 1) bis 5) als Eigentümer von insgesamt vier Grundstücken Abwehransprüche gegenüber dem Bebauungsplan der Antragsgegnerin geltend gemacht haben. Im Grundsatz ist aber in einem Normenkontrollverfahren für jedes Grundstück gesondert zu prüfen, ob deren Eigentümer durch den angefochtenen Bebauungsplan – etwa wegen einer Überplanung ihres Grundstücks – möglicherweise in ihren Rechten verletzt werden und damit antragsbefugt i.S.v. § 47 Abs. 2 VwGO sind. Demgegenüber besteht zwischen den Eigentümern verschiedener Grundstücke regelmäßig – sieht man hier von der Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten ab – keine irgendwie geartete Rechtsgemeinschaft. Den verschiedenen Gegenständen ist von dem beschließenden Gericht in seinem Streitwertbeschluss aber dadurch Rechnung getragen worden, dass für jedes Grundstück ein Wert von 10.000,00 EUR angesetzt worden ist. Der danach für jedes der vier Grundstücke jeweils anzusetzende Gegenstandswert ist gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen; nach dem Gesamtbetrag von 40.000,00 EUR bemessen sich die erstattungsfähigen, von den Antragstellern anteilsmäßig zu tragenden Gebühren. Die sich aus § 22 A...