FamGKG § 50 Abs. 1
Leitsatz
- Der Verfahrenswert für Versorgungsausgleichssachen bestimmt sich nach dem dreimonatigen Nettoeinkommen der Eheleute ohne Abzug eines Freibetrages für unterhaltsberechtigte Kinder.
- Angleichungsdynamische und nicht angleichungsdynamische Anwartschaften sind gesondert zu bewerten.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.3.2012 – 7 WF 290/12
1 Sachverhalt
Bei der Festsetzung des Verfahrenswertes für den Versorgungsausgleich ist das AG – ebenso wie bei der Festsetzung des Verfahrenswertes für die Scheidung – von einem monatlichen Nettoeinkommen der geschiedenen Eheleute von 4.100,00 EUR ausgegangen und hat hiervon für jedes der beiden unterhaltsberechtigten Kinder einen Freibetrag in Höhe von 250,00 EUR abgezogen, sodass sich ein dreifaches Monatseinkommen von 10.800,00 EUR [= (4.100,00 EUR – 500,00 EUR] x 3) ergab. Unter Zugrundelegung von vier auszugleichenden Anrechten hat das AG dann einen Verfahrenswert von 4.320,00 EUR (= 10 % x 10.800,00 EUR x 4 = 1.080,00 EUR x 4) errechnet.
Gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes für den Versorgungsausgleich hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin im eigenen Namen Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die Freibeträge für die Kinder bei der Festsetzung des Verfahrenswertes für den Versorgungsausgleich nicht abzuziehen sind. Außerdem geht sie von 5 Anrechten aus und errechnet somit einen Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich von 6.150,00 EUR (= 4.100,00 EUR x 3 x 10 % x 5 = 12.300,00 EUR x 10 % x 5= 1.230,00 EUR x 5).
Das AG hat der Beschwerde unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Nürnberg v. 31.5.2010 – 11 UF 454/10, nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Bei der Bestimmung des Nettoeinkommens der Ehegatten zur Festsetzung des Verfahrenswertes in Versorgungsausgleichssache sind Freibeträge für unterhaltsberechtigte Kinder nicht abzuziehen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschrift. In § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG wird als Grundlage für die Bestimmung des Verfahrenswertes in Versorgungsausgleichssachen das Nettoeinkommen der Ehegatten genannt. Dass von dem Nettoeinkommen weitere Abzüge vorzunehmen sind, wird nicht angeordnet. Es wird auch nicht auf § 43 Abs. 1 FamGKG verwiesen, der die Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages ermöglichen würde, da darin vorgesehen ist, dass der Verfahrenswert für eine Ehesache unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen festzusetzen ist.
Auch die Gesetzesbegründung rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Anknüpfung an das Erwerbseinkommen der Ehegatten wird damit begründet, dass die Versorgungsanrechte von den Beiträgen der Eheleute zu den Versorgungssystemen abhängig sind und diese grundsätzlich von deren Erwerbseinkommen bestimmt werden (BR-Drucks 343/08, S. 261 f.; BT-Drucks 16/10144, S. 111). In der Gesetzesbegründung wird auch nicht ausgeführt, dass die Bestimmung des Verfahrenswertes für Versorgungsausgleichssachen in der gleichen Weise wie für Ehesachen zu bestimmen ist, sondern lediglich, dass die Regelung in § 50 FamGKG dazu führt, dass sich der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen künftig ähnlich wie in Ehesachen an den Einkünften der Ehegatten orientiert. Zweck dieser Regelung ist nach der Begründung zwar auch, dass der Aufwand für die Wertfestsetzung im Versorgungsausgleich begrenzt werden soll. Diese Aufwandsbegrenzung wird jedoch im Zusammenhang mit der Alternative gesehen, den Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich anstatt an das Einkommen an die Kapitalwerte der Anrechte zu knüpfen, und nicht im Zusammenhang mit der Festsetzung des Verfahrenswertes für die Ehesache. Darüber hinaus erfordert die Wertfestsetzung für den Versorgungsausgleich ohne Abzug der Kinderfreibeträge keinen besonderen Aufwand, da das Nettoeinkommen auch für die Wertfestsetzung für die Ehesache zu ermitteln ist. Erst wenn das Nettoeinkommen ermittelt ist, können die Freibeträge für die Kinder abgezogen werden.
Eine Berücksichtigung von Freibeträgen für unterhaltsberechtigte Kinder kann auch nicht auf § 50 Abs. 3 FamGKG gestützt werden; denn diese Vorschrift bezieht sich auf Umfang, Bedeutung und Schwierigkeit der Sache an sich und nicht auf die Einkommens- und Vermögenssituation der Beteiligten (BR-Drucks 343/08, S. 263; BT-Drucks 16/10144, S. 111).
Das OLG Nürnberg folgt mit dieser Ansicht der inzwischen herrschenden Meinung (OLG Rostock, Beschl. v. 1.9.2011 – 11 WF 154/10; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.2.2011 – 9 WF 157/11; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.2010 – 2 UF 145/10; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.7.2010 – 15 WF 131/10 u. Beschl. v. 3.5.2010 – 18 WF 91/10; Schneider/Herget/Thiel, Streitwert-Kommentar, 13. Aufl., Rn 8769; Prütting/Helms/Klüsener, FamFG, 2. Aufl., § 50 FamGKG Rn 8; Hartmann, KostG, 42. Aufl., § 50 FamGKG Rn 7). Soweit der 11. Senat des OLG Nürnberg in seiner Entscheidung v. 31.5.2010 – 11 UF 454/10 eine andere Meinung vertreten hat, hält dieser hieran nicht mehr fest.
Der...