StPO § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Leitsatz
- Der frühere Verteidiger des verstorbenen Angeklagten ist zur Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung im Einstellungsbeschluss gem. § 206a StPO befugt. Durch den Tod des Angeklagten endet die Rechtsstellung des bestellten Pflichtverteidigers und dessen Befugnis, für den Angeklagten Prozesshandlungen vorzunehmen, nicht.
- Wird gem. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des verstorbenen Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, reicht hierfür ein durch die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht aus, sofern keine Umstände erkennbar sind, die bei einer neuen Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden.
OLG Köln, Beschl. v. 26.4.2012 – 2 Ws 284/12
1 Sachverhalt
Der frühere Angeklagte ist durch Urteil des AG wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden. Zugleich hat das Gericht die Einziehung der sichergestellten Waffen nebst Munition angeordnet und den sichergestellten Betrag i.H.v. 18.000 EUR für verfallen erklärt.
Gegen das Urteil haben sowohl der frühere Angeklagte, dem Rechtsanwältin N. als Pflichtverteidigerin beigeordnet worden war, als auch die Staatsanwaltschaft, die ihr Rechtsmittel jedoch zurückgenommen hat, Berufung eingelegt. Noch vor der für den 23.2.2012 terminierten Berufungshauptverhandlung ist der Angeklagte am 12.2.2012 verstorben, wie die Verteidigerin in der Hauptverhandlung mitgeteilt hat.
Mit Beschl. v. 15.3.2012 hat das LG A. daraufhin das Verfahren nach § 206a StPO auf Kosten der Staatskasse eingestellt, gem. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO aber davon abgesehen, auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
Gegen diesen der Verteidigerin am 20.3.2012 zugestellten Beschluss hat sie mit Schriftsatz vom 20.3.2012, der am 21.3.2012 beim LG eingegangenen ist, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23.4.2012 näher begründet.
2 Aus den Gründen
1. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gem. § 464 Abs. 3 S. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Es richtet sich allein gegen die Auslagenentscheidung, wie mit der Beschwerdebegründung hinreichend klargestellt ist. Insoweit unterliegt die sofortige Beschwerde nicht der Beschränkung des § 464 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 StPO. Diese gilt nicht, wenn gegen die Hauptsachenentscheidung zwar ein Rechtsmittel statthaft ist, ihre Anfechtung also weder ausdrücklich noch nach dem systematischen Gesamtzusammenhang ausgeschlossen ist, das Rechtsmittel einem bestimmten Prozessbeteiligten aber mangels Beschwer nicht zusteht (SenE StraFo 2003, 105; SenE vom 26.2.2009 – 2 Ws 66/09; vgl. Franke in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 464 Rn 8; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 464 Rn 19 jeweils m.w.Nachw.). So liegt der Fall hier. Die Einstellung des Verfahrens nach § 206a StPO ist gem. Abs. 2 der Vorschrift mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Der Angeklagte ist durch die Einstellung jedoch nicht beschwert (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 206a Rn 10), sodass ihm in der Hauptsache kein Beschwerderecht zusteht (SenE a.a.O.).
Rechtsanwältin N. ist als Pflichtverteidigerin auch befugt, für den früheren Angeklagten nach dessen Tod die vom LG getroffene Auslagenentscheidung anzufechten. Die Pflichtverteidigerbestellung wirkt, wenn sie nicht auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkt ist, für das gesamte Verfahren und endet erst mit dessen rechtskräftigem Abschluss (Laufhütte in Karlsruher Kommentar a.a.O. § 141 Rn 10). Im Falle des Todes des Angeklagten während eines anhängigen Strafverfahrens besteht ein Verfahrenshindernis nach § 206a StPO, das zwar den Erlass einer Sachentscheidung ausschließt, jedoch der Verfahrensfortsetzung, etwa zum Erlass von Nebenentscheidungen nicht entgegensteht. Insoweit bleibt das Verfahren anhängig (BGHSt 45, 108). Erst mit der Rechtskraft der Nebenentscheidungen ist das Verfahren endgültig abgeschlossen. Der Pflichtverteidiger ist deshalb befugt, nach dem Tod des Angeklagten auf eine gesetzmäßige Kosten- und Auslagenentscheidung hinzuwirken und diese erforderlichenfalls durch das Beschwerdegericht überprüfen zu lassen (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003, 286; KG StraFo 2008, 90; Meyer-Goßner a.a.O. vor § 137 Rn 7, § 464 Rn 22). Der Senat folgt nicht der gegenteiligen Auffassung (vgl. OLG Hamburg StraFo 2008, 90, Franke in: Karlsruher Kommentar a.a.O. § 464 Rn 10), mit dem Versterben des Angeklagten ende die Rechtsstellung des bestellten Pflichtverteidigers und dessen Befugnis für den Angeklagten Prozesshandlungen vorzunehmen.
2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.
Das LG hat es zu Recht abgelehnt, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
Im Falle des Todes des Angeklagten ist das laufende Strafverfahren durch Beschluss nach § 206a StPO einzustellen und eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten gem. § 464 Abs. 1 StPO ...