ZPO § 91 RVG VV Nr. 3101

Leitsatz

Auch wenn im Zeitpunkt der Beauftragung eines Rechtsanwalts der Antrag bereits zurückgenommen ist, steht dies der Erstattungsfähigkeit der Kosten des Rechtsanwalts nicht grundsätzlich entgegen.

OLG Hamm, Beschl. v. 23.10.2012 – II-6 WF 197/12

1 Sachverhalt

Durch Schriftsatz vom 23.2.2012 hatte der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt für den Zeitraum ab Juli 2012 zu verpflichten. Dieser Antrag ist dem Antragsgegner am 6.3.2012 zugestellt worden. Durch einen am 6.3.2012 per Fax eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller den Antrag zurückgenommen. Dieser Schriftsatz ist dem Antragsgegner am 10.3.2012 zugestellt worden. Bereits am 9.3.2012 hatte der Antragsgegner seinen Verfahrensbevollmächtigten eine Vollmacht erteilt.

Durch Schriftsatz vom 14.3.2012 haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners dessen Vertretung angezeigt und angekündigt, dass sich dieser gegen den Antrag verteidigen will. Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners haben erst nach Fertigung dieses Schriftsatzes von der Antragsrücknahme Kenntnis erlangt.

Durch Beschl. v. 23.4.2012 hat das FamG dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufgelegt. Der Verfahrenswert wurde auf 5.932,00 EUR festgesetzt.

Durch Kostenfestsetzungsantrag hat der Antragsgegner beantragt, die Kosten gegen den Antragsteller in Höhe von 546,69 EUR festzusetzen. Neben der Pauschale wurde eine Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3100 VV von 439,40 EUR (1,3 Gebühren) geltend gemacht.

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss hat das FamG die Kosten antragsgemäß festgesetzt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er beruft sich darauf, dass die Antragsrücknahme dem Antragsgegner bereits am 10.3.2012 zugestellt wurde und deshalb allenfalls eine 0,8 Gebühr nach Nr. 3101 VV entstanden sei.

2 Aus den Gründen

Die gem. §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO waren nur Kosten in Höhe von 345,58 EUR. Der Antragsgegner kann lediglich eine 0,8-Gebühr nach Nr. 3101 VV beanspruchen.

1. Der Antragsgegner kann nur eine ermäßigte Gebühr beanspruchen, da der Auftrag endete, bevor sein Verfahrensbevollmächtigter einen Schriftsatz gefertigt hat. Bereits am 10.3.2012 hat der Antragsgegner Kenntnis von der Rücknahme des Antrages erlangt. Erst durch Schriftsatz vom 14.3.2012 wurde die Verteidigungsbreitschaft angezeigt. Die Kenntnis seines Mandanten muss sich der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners zurechnen lassen (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 91 Rn 13 Stichwort "Klagerücknahme").

2. Dass die Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner erst am 9.3.2012 erfolgte, also nach der Rücknahme des Antrages am 6.3.2012, hindert das Entstehen einer Gebühr nach Nr. 3101 VV nicht. Entscheidend ist, dass der Antragsgegner erst am 10.3.2012 durch Zustellung des entsprechenden Schriftsatzes Kenntnis von der Rücknahme des Antrages erlangt hat (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 91 Rn 13 Stichwort "Klagerücknahme").

Soweit der BGH (NJW-RR 2007, 1575 [= AGS 2007, 477]) die Auffassung vertreten hat, dass bei der Rücknahme eines Eilantrages vor dem Eingang einer Schutzschrift bei Gericht eine Erstattung der Verfahrensgebühr ausscheidet, da auf die objektive Rechtslage abzustellen sei, ist dies auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Bei einer Schutzschrift handelt es sich um ein in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehenes, lediglich vorbeugendes Verteidigungsmittel. Die Verteidigungsanzeige ist dagegen ein in § 276 ZPO geregeltes Mittel zur Rechtsverteidigung, das erforderlich ist, um gegebenenfalls einen Versäumnisbeschluss zu verhindern (vgl. im Ergebnis ebenso OLG Celle NJOZ 2010, 2421; a.A. OLG Düsseldorf JurBüro 2009, 37 [= AGS 2008, 623]).

Entsprechend den vorstehenden Ausführungen errechnet sich der Kostenerstattungsanspruch wie folgt:

 
Praxis-Beispiel
 
Verfahrensgebühr Nr. 3101 VV 270,40 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Zwischensumme netto 290,40 EUR
Umsatzsteuer 55,18 EUR
zu zahlender Betrag 345,58 EUR

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