1. Öffnung für weitere Beratergruppen – Aufgabe des anwaltlichen Beraterprivilegs
Einer der Kernpunkte des Vorhabens ist es, die bislang nur den Rechtsanwälten mögliche Beratungshilfe auch auf andere Gruppen auszuweiten. Während § 3 BerHG a.F. hier nur den Rechtsanwalt oder den Rechtsbeistand, der Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist, vorsah, besagt zukünftig § 3 Abs. 1 BerHG n.F., dass die Beratungshilfe neben diesen Personen auch – im Umfang ihrer jeweiligen Befugnis zur Rechtsberatung – von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern sowie Rentenberatern gewährt werden kann. § 8 BerHG n.F. stellt klar, dass auch die übrigen Beratungspersonen dann vergütungstechnisch wie Rechtsanwälte zu behandeln sind und die Bestimmungen des RVG insoweit für sie gelten. Das Vorhaben ist – wie bereits kommentiert – bedenklich und wird zwar zu einer größeren Vielfalt in der Beratung führen, aber auch dazu, dass vermehrt in derselben Angelegenheit mehrmals Beratungshilfe beantragt werden wird, weil die einheitliche Angelegenheit bislang unterschiedliche Fachbereiche kennt, die die neue "Fachberatungsperson" aber nicht vollständig abdecken wird. Der bestmögliche Garant für eine umfangreiche, auch fachübergreifende Beratung ist und bleibt der Rechtsanwalt. Alles andere bietet die Gefahr unvollständiger Beratungshilfe oder Fehlauskünfte. Die Beratungsperson ist verpflichtet, die Beratungshilfe zu leisten, und darf sie nur aus wichtigem Grund ablehnen. Dies ergibt sich für Rechtsanwälte aus § 49a BRAO, für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zukünftig in § 65a Steuerberatungsgesetz und in § 51a WPO. Während § 16a BORA solche "wichtigen" Gründe regelt, bedarf es für die neuen Berufsgruppen noch einer entsprechenden Regelung. § 65a des StBerG und § 51a der WPO regeln nur die Grundtatsache, dass "aus wichtigem Grund" abgelehnt werden kann, hingegen keine expliziten Beispiele wie in § 16a BORA. Einen Ablehnungsgrund werden für diese neuen Beratergruppen auch fachübergreifende Themen darstellen müssen.
2. Beibehaltung des unmittelbaren Zugangs zur Beratungsperson und damit der nachträglichen Möglichkeit der Antragstellung sowie Schaffung einer Frist für die nachträgliche Antragstellung
Während die Drucksache 17/11472 gem. §§ 4 Abs. 6, 6 Abs. 2 BerHG – anstelle der persönlichen Antragstellung bei Gericht – den Direktzugang zur Beratungsperson nur noch in absoluten Ausnahmefällen zulassen wollte, sieht die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 15.5.2013 keine Abschaffung der nachträglichen Antragstellung mehr vor. Die Drucksache 17/11472 ging noch von einer Notwendigkeit der Abschaffung aus. Sie sah die Notwendigkeit der Abschaffung einerseits in der gesteigerten Gebührensicherheit der Rechtsanwälte, die bei einem zuvor erteilten Berechtigungsschein ein höheres Maß an Sicherheit auf eine Liquidation der Vergütung haben und nicht unnötig in Vorwegleistung gehen müssen. Andererseits sollten dadurch die Gerichte bereits die Sachverhalte "filtern" und so entweder verstärkt auf andere Hilfsmöglichkeiten verweisen oder selbst verstärkt Rechtsberatung i.S.d. gerichtlichen Beratungshilfe leisten. Vom Grundsatz der beabsichtigten Abschaffung sollte nur noch in absoluten Ausnahmefällen abzusehen sein. Solche Ausnahmefälle deklarierte die Drucksache 17/11472 in zwei Fällen. Zum einen sollte die nachträgliche Antragstellung dann möglich bleiben, wenn Beratungshilfe durch eine Beratungsstelle i.S.v. § 3 Abs. 1 S. 3 gewährt worden ist. Zum anderen sollte die nachträgliche Antragstellung in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit möglich bleiben. Zum Grundsatz der besonderen Eilbedürftigkeit wäre jedoch noch das Korrektiv der Unzumutbarkeit der vorherigen gerichtlichen Kontaktierung hinzugekommen. Die Abschaffung stand im Gegensatz zur Meinung der anwaltlichen Standesvertretung. Das Vorhaben war zudem nicht unkritisch zu betrachten. So hätte eine (erhoffte) gesteigerte Beratungsfunktion der Rechtspfleger ein unkalkulierbares Haftungsrisiko mit sich gebracht – was dazu geführt hätte, dass eine solche Rechtsberatung nicht stattgefunden hätte und den Rechtspflegern hier auch kein Vorwurf zu machen gewesen wäre. Zudem hätte der Wunsch im Gegensatz zu den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes gestanden. Der am 16.5.2013 beschlossene Gesetzesentwurf folgt damit der Empfehlung des Rechtsausschusses und behält die bisherige Lage der nachträglichen Antragstellung bei. Dies wurde von der anwaltlichen Standesvertretung auch so gefordert und – einmal mehr – damit das Kostenrisiko für den (Nicht-)Erhalt der Gebühren im Falle einer nachträglichen Bewilligung durch das Gericht in Kauf genommen. Bestehende Streitfragen – wie z.B. den Unterschriftszeitpunkt oder die nachträgliche Prüfung der Erforderlichkeit – werden durch die Reform damit nicht beseitigt, was unglücklich ist und nicht der Konzeption des Reformvorhabens entspricht. Im Übrigen wird eine Frist von vier Wochen zur nachträglichen Antragstellung eingeführt, § 6 Abs. 2 BerHG n.F. Die jetzt beschlossene Variante ers...