RVG VV Nrn. 3204, 3501
Leitsatz
Die Verfahrensgebühr im Verfahren einer Beschwerde vor dem Landessozialgericht gegen die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung durch das Sozialgericht bemisst sich nicht nach Nr. 3204 VV, sondern nach Nr. 3501 VV.
Bayerisches LSG, Beschl. v. 20.11.2012 – L 15 SF 184/11 B E
1 Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin hatte die seinerzeitige Antragstellerin in einem Eilverfahren vor dem SG vertreten. Nachdem das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hatte, legte die Beschwerdeführerin für ihre Mandantin Beschwerde zum LSG ein. In beiden Rechtszügen war die Beschwerdeführerin der damaligen Antragstellerin gem. § 73a Abs. 1 S. 1 SGG, § 121 ZPO beigeordnet worden.
Die Beschwerdeführerin beantragte anschließend beim SG die Festsetzung der nach §§ 45 ff. RVG zu zahlenden Vergütung sowohl für das erstinstanzliche als auch für das zweitinstanzliche Verfahren. Dabei veranschlagte sie für das Beschwerdeverfahren eine Verfahrensgebühr von 310,00 EUR gem. Nr. 3204 VV. Die Urkundsbeamtin beim SG setzte dagegen nur eine Verfahrensgebühr von 160,00 EUR für das Beschwerdeverfahren fest. Sie zog dazu Nr. 3501 VV heran und sprach innerhalb dieses Rahmens die Höchstgebühr zu. Die dagegen eingelegte Erinnerung der Beschwerdeführerin ist ohne Erfolg geblieben. Ebenso wie die Urkundsbeamtin hat auch der Kostenrichter die Ansicht vertreten, die Verfahrensgebühr im Beschwerdeverfahren bemesse sich nicht nach Nr. 3204 VV, sondern nach Nr. 3501 VV.
Mit seiner Beschwerde verfolgt die Beschwerdeführerin ihr im Kostenfestsetzungsantrag formuliertes Begehren, für das Beschwerdeverfahren eine Verfahrensgebühr von 310,00 EUR zuerkannt zu erhalten, unverändert weiter.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, nachdem das SG im angefochtenen Beschluss das Rechtsmittel zugelassen hat (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG); § 178 S. 1 SGG steht nicht entgegen (vgl. dazu eingehend Senatsbeschl. v. 4.10.2012 – L 15 SF 131/11 B E).
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg, weil sie in vollem Umfang unbegründet ist. Der Beschwerdeführerin steht keine höhere Verfahrensgebühr als die vom SG festgesetzte zu. Denn das SG hat den einschlägigen Gebührenrahmen bereits in höchstmöglichem Umfang ausgeschöpft.
Anzuwenden ist der Gebührenrahmen nach Nr. 3501 VV, der in Teil 3 Abschnitt 5 VV (Überschrift "Beschwerde, Nichtzulassungsbeschwerde und Erinnerung") steht und eine Betragsspanne von 15,00 bis 160,00 EUR vorsieht; der Gebührentatbestand lautet:
Verfahrensgebühr für das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in den Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), soweit in diesem Abschnitt keine besonderen Gebühren bestimmt sind.
Ein besonderer Gebührentatbestand innerhalb des Abschnitts 5 ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich.
Nicht zur Anwendung kommen kann der Gebührentatbestand nach Nr. 3204 VV. Der findet sich in Teil 3 Abschnitt 2 VV (Überschrift "Berufung, Revision, bestimmte Beschwerden und Verfahren vor dem Finanzgericht"). Er lautet: "Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Landessozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG)."
Die Tarifstelle sieht einen Betragsrahmen von 50,00 bis 570,00 EUR vor.
Die Gebührenregelungen des Abschnitts 2 gelten generell für Berufungs- und Revisionsverfahren sowie für die Verfahren vor den Finanzgerichten. Für Beschwerdeverfahren gelten sie aber nur spezifisch, nämlich soweit das jeweilige Verfahren in der enumerativen Benennung nach Vorbem. 3.2.1 VV bzw. Vorbem. 3.2.2 VV aufgeführt ist. Unterabschnitt 1 enthält die Gebührentatbestände bei Berufungen und Verfahren, die mit Berufungen vergleichbar sind, Unterabschnitt 2 die Gebührentatbestände bei Revisionen und revisionsähnlichen Beschwerdeverfahren. Schon Wortlaut und Systematik innerhalb von Abschnitt 2 zeigen unmissverständlich, dass der Katalog über die erfassten Beschwerdeverfahren sehr konkret gefasst und abschließend ist. Vorbem. 3.5 VV bekräftigt dies, indem geregelt wird:
Die Gebühren nach diesem Abschnitt entstehen nicht in den in Vorbem. 3.1 Abs. 2 und in den Vorbem. 3.2.1 und 3.2.2 VV genannten Beschwerdeverfahren.
Die Beschwerdeführerin irrt, wenn sie die Aufzählung in Vorbem. 3.2.1 VV für lediglich beispielhaft hält. Für diese Ansicht sieht der Senat keinerlei Grundlage. Insbesondere ist es verfehlt, dies aus der Formulierung "Dieser Unterabschnitt ist auch anzuwenden" abzuleiten. Denn damit soll geregelt werden, dass neben den Berufungen auch verschiedene (abschließend genannte) berufungsähnliche Verfahren erfasst sein sollen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin handelt es sich also bei Nr. 3204 VV um einen speziellen Tatbestand nur für ganz bestimmte Beschwerdeverfahren – was übrigens auch die Überschrift von Abschnitt 2, die den Ausdruck "bestimmte Beschwerden" enthält, unterstreicht. Im Vergleich dazu verkörpert Nr. 3501 VV den gesetzlichen Regelfall. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis zeigt sich damit gerade umgekehrt, ...