ZPO § 91 RVG VV Nr. 3500

Leitsatz

Wird eine Beschwerde ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt und gleichzeitig der Gegner gebeten, sich im Beschwerdeverfahren noch nicht zu bestellen, so ist die volle Verfahrensgebühr auf Seiten des Beschwerdegegners erstattungsfähig, wenn er dennoch seinen Anwalt im Beschwerdeverfahren beauftragt und die Beschwerde dann noch innerhalb der Beschwerdefrist zurückgenommen wird.

BGH, Beschl. v. 28.2.2013 – V ZB 132/12

1 Sachverhalt

Im Rahmen eines Versteigerungsverfahrens zum Zweck der Aufhebung einer Gemeinschaft hatte das AG einen Antrag der Antragsgegner zu 2) und 3) auf einstweilige Einstellung des Verfahrens zurückgewiesen. Hiergegen hatten die Antragsgegner zu 2) und 3) Beschwerde eingelegt und darauf hinwiesen, dass dies nur fristwahrend erfolge. Es sei noch nicht sicher, ob die Beschwerde begründet werde; im Hinblick auf den Weihnachtsurlaub der Antragsgegnerin zu 2) und den Ablauf der Beschwerdefrist werde um Einräumung einer Begründungsfrist gebeten. Ferner wurde der Antragsteller des Verfahrens darum gebeten, sich noch nicht zu bestellen. Das AG räumte den Antragsgegnern zu 2) und 3) die beantragte Begründungsfrist ein. Noch während des Laufs der Begründungsfrist beantragten die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die Zurückweisung der Beschwerde. Am letzten Tag der Frist nahmen die Antragsgegner zu 2) und 3) ihre Beschwerde zurück, worauf das AG die Kosten der Beschwerde den Antragsgegnern zu 2) und 3) auferlegt.

Daraufhin meldete der Antragsteller eine 0,5-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3500 VV zur Festsetzung an. Das AG wies diesen Antrag zurück.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht war der Auffassung, dass für den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV zwar entstanden sei; diese Gebühr sei aber nicht für erstattungsfähig. Der Antragsteller habe die sich aus Treu und Glauben ergebende Verpflichtung verletzt, die Verfahrenskosten möglichst niedrig zu halten, wenn er kostenauslösende Maßnahmen ergreife, obwohl die Beschwerde ausdrücklich vorsorglich zur Fristwahrung eingelegt worden sei, die an ihn gerichtete Bitte enthalte, sich nicht für das Beschwerdeverfahren zu legitimieren, und innerhalb der Begründungsfrist zurückgenommen worden sei.

Die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

1. a) Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV entsteht, wenn der Rechtsanwalt einen Auftrag zur Vertretung in einem Beschwerde- oder Erinnerungsverfahren erhält, für welche wie hier keine besonderen Gebühren bestimmt sind. Die bloße Entgegennahme der Beschwerdeschrift ist, wie aus § 19 Nr. 9 RVG hervorgeht, für die Entstehung der Gebühr zwar nicht ausreichend. Es genügt aber, dass der Verfahrensbevollmächtigte auf einen Auftrag des Mandanten hin pflichtgemäß prüft, ob etwas für diesen zu veranlassen ist. Das Einreichen eines Schriftsatzes bei Gericht ist nicht erforderlich (OLG Rostock MDR 2006, 1194; AnwK-RVG/N. Schneider, 5. Aufl., VV Vorbem. 3.5, VV 3500 Rn 32; Hergenröder in: Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 15. Aufl., Nr. 3500 VV Rn 2; Bischof/Bräuer, RVG, 5. Aufl., Vorbem. 3.5, Nr. 3500 VV/Teil 3 Rn 6a; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., 3500 VV Rn 9; Hartmann, KostG, 41. Aufl., Nr. 3500 VV Rn 3), genügt aber in aller Regel und so auch hier für die Annahme, die Gebühr sei verdient.

b) Die Höhe der Gebühr beträgt 0,5, und zwar unabhängig davon, mit welchem Ergebnis das Beschwerdeverfahren endet. Eine Ermäßigung im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Auftrages sieht das Gesetz nicht vor.

2. Zu Unrecht verneint das Beschwerdegericht aber die Erstattungsfähigkeit der angefallenen Kosten.

a) Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus ist zu entnehmen, dass ein Beteiligter eines Verfahrens, in dem diese Vorschrift Anwendung findet (vgl. hierzu für das Teilungsversteigerungsverfahren: Senat, Beschl. v. 20.7.2006 – V ZB 168/05, NJW-RR 2007, 143), einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind. Der BGH hat bereits entschieden, dass eine Einschränkung dieses Grundsatzes für die Fälle, in denen ein Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wird, dem Gesetz nicht zu entnehmen ist (BGH, Beschl. v. 17.12.2002 – X ZB 9/02, NJW 2003, 756 f. [= AGS 2003, 219]).

Dabei kann auch hier dahinstehen, ob die Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts der Nachprüfung unterliegt. Denn jedenfalls ist sie aus Sicht einer verständigen Partei zu beurteilen. Maßgeblich ist dabei nicht, ob die Beauftragung eines Anwalts im konkreten Fall nützlich oder gar notwendig war, sondern ob eine verständige Partei in der gleichen Situation ebenfalls einen Anwalt beauftragen würde. Dies kann im Regelfall, solange das Rechtsmittel nicht zurückgenommen ist, nicht verneint werden. Denn die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Re...

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