RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3, ArbGG § 12a Abs.
Leitsatz
- Wird der Rechtsstreit von einem ordentlichen Gericht an ein Arbeitsgericht verwiesen, so sind alle Gebühren, die vor dem ordentlichen Gericht bereits angefallen sind, zu erstatten, auch dann, wenn sie vor dem Arbeitsgericht erneut anfallen. Die Kostenerstattung beschränkt sich in diesem Fall nicht auf die "Mehrkosten".
- Eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 i.V.m. Nr. 3104 VV fällt nicht an, wenn keine Besprechung i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV vorliegt. Dies ist bei Gesprächen zwischen den Bevollmächtigten mehrerer Beklagter ohne Beteiligung des Gegners dann der Fall, wenn dieser nicht vorab seine grundsätzliche Bereitschaft zum Eintritt in Vergleichsgespräche kundgetan hat.
BAG, Beschl. v. 19.2.2013 – 10 AZB 2/12
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Festsetzung einer Terminsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren.
Im Ausgangsverfahren hatte die Klägerin die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 177.610,50 EUR in Anspruch genommen. Das angerufene LG wies auf die Unzulässigkeit des Rechtswegs bezüglich der gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) gerichteten Ansprüche hin, trennte das Verfahren gegen den Beklagten zu 3) ab und verwies den Rechtsstreit gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) auf Antrag der Klägerin an das ArbG. Dieses wies die Klage ab und erlegte der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auf. Die hiergegen gerichtete Berufung blieb hinsichtlich des Beklagten zu 2) erfolglos.
Vor Verweisung des Ausgangsrechtsstreits an das ArbG hatten zwischen den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und zu 2) ausführliche telefonische Besprechungen über die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche stattgefunden. Dabei wurden sowohl die Fragen der Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs als auch einer etwaigen gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten zu 1) und zu 2) erörtert. Abschließend wurde erwogen, der Klägerseite für den Fall des Nachweises einer Beteiligung der Beklagten zu 1) und zu 2) an den ihnen vorgeworfenen strafbaren Handlungen einen Vergleichsvorschlag auf der Grundlage der etwa nachgewiesenen Größenordnung mit entsprechender Kostenquotelung zu unterbreiten. Nach dem später erfolgten Freispruch der Beklagten im Strafverfahren vor dem AG ist kein Vergleichsvorschlag mehr erfolgt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hatte die Beklagte zu 2) daraufhin u.a. auch die Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr benatragt. Das ArbG hat diese Gebühr abgesetzt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde war vor dem LAG erfolgreich und führte zur Festsetzung der Terminsgebühr.
Dagegen hat die Klägerin die vom LAG zugelassene Rechtsbeschwerde erhoben, die Erfolg hatte.
2 Aus den Gründen
Eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 i.V.m. Nr. 3104 VV ist nicht angefallen.
1. Nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG besteht im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten. Nach § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG gilt S. 1 jedoch nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstehen, dass der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das ArbG verwiesen hat. Für diese Kosten ist die Erstattung vielmehr weiterhin durch § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91, 103 ff. ZPO geregelt. Obsiegt der Beklagte, so kann er hinsichtlich der ihm vor dem ordentlichen Gericht entstandenen Kosten Erstattung verlangen. Gem. § 91 Abs. 2 ZPO sind dabei die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts immer zu erstatten. Sie sind damit dem Einwand entzogen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seien sie nicht notwendig gewesen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Dieser Kostenerstattungsanspruch ist nicht beschränkt auf etwaige "Mehrkosten". Vielmehr sind alle vor dem zunächst fehlerhaft angerufenen LG angefallenen Kosten zu erstatten. Dies gilt unabhängig davon, ob vor dem ArbG die gleichen Gebühren gegebenenfalls noch einmal entstehen und von einer Erstattung wegen § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ausgeschlossen sind (BAG 1.11.2004 – 3 AZB 10/04 – m.w.Nachw., BAGE 112, 293; Düwell/Lipke/Dreher, ArbGG, 3. Aufl., § 12a Rn 9; ErfK/Koch 13. Aufl. § 12a ArbGG Rn 6; GK-ArbGG/Schleusener, Stand Dezember 2012, § 12a Rn 58 f.; GMP/Germelmann, 7. Aufl., § 12a Rn 19; Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG 3. Aufl. § 12a Rn 40 f.).
2. Eine Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV ist durch die zwischen den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und zu 2) vor Verweisung an das ArbG durchgeführten telefonischen Besprechungen nicht angefallen.
a) Nach der Vorbem. 3 Abs. 3 VV entsteht die Terminsgebühr ua. für "die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts" mit Ausnahme von Besprechungen mit dem Auftraggeber.
b) Nach den mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des LAG haben zwischen den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und zu ...