Leitsatz
Beauftragt eine Partei einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt, so sind dessen Reisekosten für die Entfernung vom Gericht bis zur Gerichtsbezirksgrenze auch dann gem. § 91 Abs. 2 ZPO erstattungsfähig, wenn die Partei ihren Wohnsitz innerhalb des Gerichtsbezirks hat.
AG Marbach am Neckar, Beschl. v. 6.11.2013 – 3 C 32/12
1 Sachverhalt
Die am Ort des AG ansässige Partei hatte einen Anwalt beauftragt, der seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks hatte. Nach Abschluss des Rechtsstreits hat sie die Erstattung seiner Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks beantragt. Das Gericht hat die Reisekosten antragsgemäß festgesetzt.
2 Aus den Gründen
Fahrtkosten sind in Höhe von jeweils 13,20 EUR pro Fahrt unter Berücksichtigung einer einfachen Wegstrecke von 22 km erstattungsfähig.
Nach dem Wortlaut von § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind die Reisekosten eines bezirksansässigen Rechtsanwalts stets; die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts jedoch lediglich insoweit erstattungsfähig, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.
Dies ist nach der höchstrichterlichen Rspr. – zumindest bei außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwälten (bzgl. den Rechtsanwälten innerhalb des Gerichtsbezirks offen gelassen in BGH NJW 2011, 3520 [= AGS 2012, 47]) – regelmäßig nur insoweit der Fall, als ein am Wohnort bzw. Sitz der Partei ansässiger Rechtsanwalt beauftragt wird.
Da mit dieser restriktiven Auslegung aber eine Schlechterstellung von außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwälten verbunden ist, die vom Gesetzgeber so nicht gewollt war (vgl. BT-Drucks 15/1971, 233), ist das Kriterium der Notwendigkeit i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO für auswärtige Rechtsanwälte so auszulegen, dass zumindest die Fahrtkosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze als erforderlich anzusehen sind (AG Kiel NJW-RR 2013, 892; Jaspersen/Wache, in: BeckOK, Edition 10, § 91 ZPO Rn 168, 168b; Schneider, in: Prütting/Gehrlein, 5. Aufl., § 91 ZPO Rn 5).
Nicht überzeugen kann dagegen die andere zur Auflösung dieses Wertungswiderspruchs vorgeschlagene Lösung, dass auch die Reisekosten des bezirksansässigen Rechtsanwalts analog § 91 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO einer Notwendigkeitsprüfung unterzogen werden (so Schulz, in: MüKo, 4. Aufl., § 91 ZPO Meyer-Goßner, 65), da dies dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des spezielleren § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO widerspricht und im Übrigen eine auszufüllende Regelungslücke nicht gegeben ist (LG Gera, Beschl. v. 5.6.2013 – 2 O 1640/11).
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Ebenso entschieden hatte bereits das AG Kiel.
Der Anwalt sollte unter Hinweis auf die Entscheidungen des AG Kiel und des AG Marbach anhand eines Routenplaners die höchstmögliche Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks berechnen und bis zu dieser Höhe seine Reisekosten anmelden.
Im Rahmen der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe ist dieser Grundsatz schon lange ständige Rechtsprechung.
Norbert Schneider
AGS 5/2014, S. 210