… vor allem vor deutschen Gerichten, wenn es um die Kostenerstattung geht.
In kaum einem anderen Land der Welt wird über die Erstattung von Reisekosten nach beendetem Rechtsstreit so vehement und kleinkariert gestritten wie in Deutschland. Weltanschauungen prallen hier aufeinander. Einerseits wird die Reisefreiheit den Kosten übergeordnet, während andererseits der Grundsatz der kostensparenden Prozessführung jeden gefahrenen Kilometer auf die Goldwaage legt.
Berücksichtigt man nur die Zeit nach Aufhebung des Postulationszwangs vor den Land- und Oberlandesgerichten, so stößt man schon allein auf eine Fülle nicht mehr zu überblickender Rechtsbeschwerdeentscheidungen des BGH. Auch das Bundesverfassungsgericht ist schon mit Reisekostenerstattungen bemüht worden. Auf die nicht mehr zu überschauenden Entscheidungen der Obergerichte und der unteren Instanzgerichte will ich dabei gar nicht erst eingehen.
Die kleinliche Betrachtungsweise ist dabei kaum noch zu überbieten und ringt einem manch müdes Lächeln ab.
Es gibt kaum ein Problem, mit dem sich Richter nicht schon ausgiebig befasst hätten. Dennoch tauchen augenscheinlich immer wieder neue Probleme auf.
So stellt das LG Gera (in diesem Heft Seite 251) fest, dass die Reisekosten eines auswärtigen, aber noch im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Anwalts immer zu erstatten sind und eine Notwendigkeitsprüfung hier nicht zulässig ist, und postuliert damit eigentlich nur, was bereits im Gesetz steht (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO), jahrzehntelang aber nicht zur Kenntnis genommen worden ist.
Darauf aufbauend folgert das AG Marbach am Neckar (in diesem Heft Seite 210), dass ein Anwalt, der seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks hat, seine Reisekosten wenn schon nicht in voller Höhe, so doch zumindest in Höhe der höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattet verlangen kann, weil die erstattungsfähige Partei ansonsten benachteiligt wäre (so schon AG Kiel in AGS 2014, 8).
Übernachtungskosten eines Anwalts sind bei entsprechender Entfernung erstattungsfähig. Das wiederum ist aber der Fall, wenn der Anwalt, um sein Ziel rechtzeitig zu erreichen, vor dem Gerichtsvollzieher aufstehen müsste, also zur Nachtzeit i.S.d. § 758a Abs. 4 S. 2 ZPO.
Die Kosten eines Frühstücks wiederum sind im Wege der Vorteilsausgleichung nicht erstattungsfähig, da der Anwalt, der im Hotel frühstückt, ja gleichzeitig das Frühstück zu Hause erspart (OLG Saarbrücken, in diesem Heft S. 252). Weist das Hotel die Frühstückskosten nicht aus, dann werden kurzerhand 10 % der Logis gekürzt (OLG Düsseldorf AGS 2012, 561).
Teilt sich der Anwalt auf seiner Geschäftsreise das Bett mit wem auch immer, kann er allerdings nur die anteiligen Übernachtungskosten geltend machen, also quotal. Es ist nicht zulässig, ein Einzelzimmer abzurechnen und nur den Mehrpreis als Privatvergnügen zu verbuchen (OLG Saarbrücken in diesem Heft S. 252).
Andererseits ist der Anwalt nicht gezwungen, das Bett mit dem gleichzeitig anreisenden Mandanten zu teilen. Zwar ist diese Rechtsfrage noch nicht entschieden; das LG Stuttgart (AGS 2014, 98) hat jedoch bereits (entgegen der Vorinstanz) festgestellt, dass der Anwalt schon nicht verpflichtet ist, die Partei in seinem Pkw mitzunehmen. Hier wird man dann per argumentum a minori ad maius (oder ist es das argumentum a maiore ad minus?) schließen dürfen, dass er sie erst Recht nicht in sein Zimmer aufnehmen muss.
Interessant (rein hypothetisch) wäre insoweit die Frage, wie dann zu erstatten wäre. Die eine Hälfte wäre dann als Anwaltskosten zu erstatten (§ 91 Abs. 2 ZPO) und die andere Hälfte als Parteikosten (§ 91 Abs. 1 ZPO) – sicher aber jeweils ohne Frühstück.
Sind Anwalt oder Partei schon einmal unterwegs zum auswärtigen Gericht, dann schadet es wiederum nichts, wenn man eine Reise zum Gerichtstermin mit ein paar Tagen Urlaub verbindet oder wenn man unterwegs einkehrt und seine Großmutter besucht, die auf dem Weg wohnt.
Großzügiger ist die Rspr. bei der Streckenwahl. Nicht der kürzeste Weg ist zwingend, wenn ein längerer Weg schneller ist (KG AGS 2004, 12). Wer hier aber mit groben Schätzungen arbeitet, wird in die Schranken gewiesen. Heutzutage verfügt auch die Justiz über Internet und hat Zugriff auf Google-Map und Google-Earth sowie alle gängigen Routenplaner. Wehe, wenn die Entfernung auch nur 1 km (Hin und Rückfahrt = 60 Cent) zu weit berechnet ist. Dann wird abgesetzt.
Auch die Frage, ob ein am Gerichtsort ansässiger Anwalt unmittelbar von zu Hause zum Gericht fahren muss oder vorher noch in seine auswärtige Kanzlei fahren darf mit der Folge, dass dann wieder Reisekosten anfallen, ist entschieden. Der Anwalt darf noch in seine Kanzlei (OLG Düsseldorf AGS 2012, 267).
Wir werden auch künftig diesen Teil der deutschen Rechtsprechung eingehend für sie beobachten und sie informieren, damit Sie auf dem aktuellen Stand sind: "Reisen bildet".
Autor: Norbert Schneider
Norbert Schneider
AGS 5/2014, S. II