Leitsatz
Die Werte von wechselseitigen Anträgen auf Zugewinnausgleich sind zusammenzurechnen. Es liegt nicht derselbe Verfahrensgegenstand vor.
OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2016 – II-7 WF 16/16
1 Sachverhalt
Der Antragsteller hatte Zugewinn in Höhe von 36.295,18 EUR geltend gemacht. Daraufhin hatte die Antragsgegnerin Widerantrag erhoben und ihrerseits den Antrag auf Zahlung von Zugewinnausgleich in Höhe von 10.863,38 EUR erhoben. Das gerichtliche Verfahren endete durch Vergleich.
Das FamG hat den Verfahrenswert auf 36.295,18 EUR festgesetzt. Es ist davon ausgegangen, dass die wechselseitigen Anträge auf Zugewinn denselben Verfahrensgegenstand beträfen und ihre Werte daher nicht zu addieren seien. Es gelte vielmehr nach § 39 FamGKG lediglich der höhere Wert.
2 Aus den Gründen
Der Verfahrenswert für das Zugewinnverfahren ermittelt sich aus der Addition der wechselseitigen Forderungen der Ehegatten und war daher auf 47.158,56 EUR festzusetzen. Insoweit orientiert sich der Senat entgegen der Entscheidung des 10. Senats vom 9.8.2015 (10 WF 154/06) an dem Beschluss des 6. Senats vom 14.3.2013 (6 WF 329/12 [= AGS 2014, 525]) und der überwiegend vertretenen Ansicht in Lit. und Rspr. (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 23.1.2014 – 12 WF 168/13 m. zahlr. w. Nachw.).
Für die erforderliche wirtschaftliche Betrachtungsweise ist entscheidend, dass bei einem wechselseitig betriebenen Zugewinnausgleichsverfahren nicht nur die Abwehr des gegnerischen Zahlungsantrags zur Entscheidung ansteht, sondern maßgebend ist, dass das Interesse der Beteiligten einerseits in der Abwehr der gegnerischen Forderung besteht, zudem aber auch eigene Ansprüche verfolgt werden. Wirtschaftlich gesehen geht es in diesen Fällen um die gesamte Differenz der von beiden Beteiligten ihrer Antragsberechnung zugrunde gelegten Beträge, die eine Prüfung der einzelnen Vermögenspositionen, die nicht unbedingt in Antrag und Widerantrag identisch sein müssen, erfordert und eine entsprechende Rechtskrafterstreckung bewirkt. Nur durch das Zusammenrechnen der mit Antrag und Widerantrag verlangten Beträge wird in diesen Fällen das Ausmaß des Streits der Beteiligten umfassend berücksichtigt.
3 Anmerkung
I.
Die Werte von Antrag und Widerantrag werden nach § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG grundsätzlich zusammengerechnet; insoweit bestätigt diese Regelung die allgemeine Vorschrift des § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Eine dem § 33 Abs. 1 S. 2 FamGKG entsprechende Einschränkung enthält § 39 Abs. 1 FamGKG allerdings nicht; gleichwohl dürfte das Additionsverbot auch hier gelten, wenn sich der Antrag auf einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch und der Widerantrag auf einen daraus resultierenden vermögensrechtlichen Anspruch bezieht.
Die Werte von Antrag und Widerantrag werden allerdings dann nicht zusammengerechnet, wenn sie denselben Verfahrensgegenstand betreffen. In diesem Fall gilt nur der höhere Wert der beiden Anträge (§ 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG).
Hier wird häufig – wie auch vom FamG – lediglich die sog. Identitätsformel angewandt. Danach soll von demselben Gegenstand auszugehen sein, wenn das Zusprechen des Antrags zwingend zur Folge hat, dass der Widerantrag abgewiesen werden muss und wenn das Zusprechen des Widerantrags zwingend zur Folge hat, dass der Antrag abzuweisen ist. Diese sog. Identitätsformel führt jedoch nicht zu einer abschließenden Beurteilung. Hinzukommen muss auch eine wirtschaftliche Identität. Dass sich die Ansprüche wechselseitig ausschließen, genügt also noch nicht für das Additionsverbot nach § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG.
II.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1.
Wechselseitige Auskunftsanträge sind immer zusammenzurechnen, soweit sie der Durchsetzung bzw. Abwehr verschiedener Ansprüche dienen (s.u. Unterhalt und Zugewinn). Soweit die Auskünfte der Durchsetzung bzw. Abwehr desselben Hauptanspruchs dienen, greift dagegen auch hier das Additionsverbot.
2.
Werden wechselseitige Scheidungsanträge gestellt, so handelt es sich um gleichgerichtete Anträge, für die immer derselbe Wert gilt. Da dieselbe Ehe nur einmal geschieden werden kann, liegt eine Identität vor, so dass die Werte nicht zu addieren sind. Da für beide Anträge auf die Umstände, insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung abzustellen ist (§ 34 RVG), stellt sich die Frage des höherwertigen Antrags nicht.
Wird dagegen einerseits Aufhebung der Ehe beantragt und andererseits Scheidung, liegen verschiedene Gegenstände vor, so dass zu addieren ist.
3.
Stellen die Beteiligten wechselseitige Anträge zur Überlassung oder Nutzung der Ehewohnung, so ist zu differenzieren.
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Werden wechselseitige Anträge zur Ehewohnung für die Zeit der Trennung gestellt, ist vorbehaltlich einer Anhebung nach § 48 Abs. 3 FamGKG vom einfachen Regelwert des § 48 Abs. 1, 1. Alt. FamGKG (3.000,00 EUR) auszugehen. Das gilt nicht nur dann, wenn wechselseitig die Überlassung der Ehewohnung beantragt wird, sondern auch dann, wenn der eine Ehegatte die Überlassung und der andere eine Nutzungsentschädigung nach § 1361b Abs. 2 S. 2 BGB verlangt. |
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Werden wechselseitige Anträge auf... |