Leitsatz
- Ein Längenzuschlag kommt für den Wahlanwalt nicht in Betracht.
- Im Verfahren über eine sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung entscheidet das Gericht in der für das Strafverfahren vorgeschriebenen Besetzung (hier: Strafsenat mit drei Richtern).
- Hat sich der Verteidiger den Erstattungsanspruch abtreten lassen, wird der Kostenfestsetzungsantrag auch ohne ausdrückliche Erklärung vom Verteidiger in eigenem Namen gestellt.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.11.2015 – 2 Ws 277/15
1 Sachverhalt
Mit Antragsschrift v. 7.5.2015 hatte die Staatsanwaltschaft im Sicherungsverfahren auf die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angetragen. Die Hauptverhandlung, an der Rechtsanwalt X. als gerichtlich bestellter Verteidiger umfassend teilnahm, fand am 9., 19. und 24.2.2015 statt, wobei die Sitzungen am 9.2.2015 von 9:00 Uhr bis 14:55 Uhr (mit längerer Unterbrechung von 12:33 Uhr bis 14:00 Uhr) und am 24.2.2015 von 9:15 Uhr bis 14:20 Uhr (mit längerer Unterbrechung von 10:55 Uhr bis 14:05 Uhr) dauerten. Mit Urteil v. 24.2.2015, rechtskräftig seit 4.3.2015, lehnte das LG Freiburg den Antrag auf Unterbringung des Beschuldigten ab und bestimmte, dass die notwendigen Auslagen des Beschuldigten von der Staatskasse zu tragen sind.
Am 27.2.2015 beantragte der Verteidiger die Kostenfestsetzung auf der Grundlage seiner Vergütung als Wahlverteidiger in Höhe von 4.863,89 EUR, wobei für die Hauptverhandlung am 9. und 24.2.2015 ein Längenzuschlag von jeweils 560 EUR gem. Nr. 4116 VV geltend gemacht wurde. Mit weiterem Schriftsatz v. 29.2.2015 legte Rechtsanwalt X. eine Vereinbarung vor, mit der der Erstattungsanspruch an ihn abgetreten war.
Dem Antrag der Bezirksrevisorin folgend setzte das LG Freiburg mit dem angefochtenen Beschluss, der Rechtsanwalt X. am 5.6.2015 zugestellt wurde, die zu erstattenden notwendigen Auslagen unter Abzug der Gebühren nach Nr. 4116 VV nebst darauf entfallender Umsatzsteuer auf 3.591,09 EUR fest. Hiergegen richtet sich die am 12.6.2015 von Rechtsanwalt X. eingelegte sofortige Beschwerde.
2 Aus den Gründen
Die gem. §§ 464b S. 3 StPO, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern (§ 122 Abs. 1 GVG); § 568 S. 1 ZPO findet keine Anwendung (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 160 unter Aufgabe früherer Rspr.; OLG Hamm, Beschl. v. 3.12.2009 – 2 Ws 270/09, juris; OLG Jena NStZ-RR 2008, 63; OLG Köln Rpfleger 2003, 685; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 464b Rn 7; Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 464b Rn 4b; Temming, in: Gercke/Julius/Temming, StPO, 5. Aufl. 2012, § 464b Rn 5; a.A. Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464b Rn 9).
2. Ohne dass dies ausdrücklich zum Ausdruck gebracht wurde, ist im Hinblick auf die von Rechtsanwalt X. vorgelegte Abtretungsvereinbarung und die sich daraus ergebende materielle Berechtigung davon auszugehen, dass die sofortige Beschwerde von ihm in eigenem Namen eingelegt ist (vgl. Gieg, a.a.O., § 464b Rn 3; Hilger, a.a.O., § 464b Rn 5, jeweils m.w.N.).
3. Der mit der sofortigen Beschwerde weiter verfolgte Gebührenanspruch besteht nicht. Der Längenzuschlag nach Nr. 4116 VV steht dem gerichtlich bestellten Verteidiger nur dann zu, wenn die ihm als bestelltem Verteidiger zustehenden Gebühren beansprucht werden. Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung ist die gesetzliche Regelung eindeutig. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, das dem RVG zugrunde liegt, heißt es dazu ausdrücklich: "Die vorgeschlagene Regelung [die inhaltlich mit Nr. 4116 VV übereinstimmende Nr. 4110 VV] ist auf den gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt beschränkt. Es besteht kein Anlass, sie auf den Wahlanwalt auszudehnen, weil diesem eine Rahmengebühr zusteht. Innerhalb dieses Rahmens kann er die jeweils angemessene Terminsgebühr bestimmen, wobei die Dauer des jeweiligen Hauptverhandlungstermins eine nicht unerhebliche Rolle spielen wird" (BT-Drucks 15/1971, S. 224).
Darauf, ob dem geltend gemachten Anspruch entgegensteht, dass bei Herausrechnung der längeren Unterbrechungen die Sitzungsdauer fünf Stunden jeweils nicht überschritt (vgl. dazu OLG Karlsruhe StraFO 2014, 39 [= AGS 2013, 573]; Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl. 2012, VV 4108–4111 Rn 26, jeweils m.w.N.), kam es danach nicht mehr an.
entnommen von www.burhoff.de
AGS 5/2016, S. 218 - 219