Leitsatz
Die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV fällt auch dann an, wenn in einer ersten Hauptverhandlung eine von mehreren Taten abgetrennt wird und das Verfahren insoweit offen bleibt, im Übrigen das Erkenntnis folgt und später im Berufungstermin auf Betreiben auch des Verteidigers das Gericht das verbliebene Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO einstellt.
AG Tiergarten, Beschl. v. 4.3.2016 – (431 Ls) 286 Js 945/15 (22/15)
1 Sachverhalt
Mit der Anklageschrift wurde gegen den Angeklagten der Vorwurf erhoben, eine Sachbeschädigung begangen zu haben. Unter gleichzeitiger Eröffnung des Hauptverfahrens und Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung hat das Jugendschöffengericht weitere gegen den Angeklagten bei Gericht anhängige Verfahren zu einer weiteren Anklageschrift verbunden. Nach dieser weiteren Anklageschrift wurde dem Angeklagten vorgeworfen, in zwei Fällen Straftaten begangen zu haben. In der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht hat das Gericht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten das Verfahren im Umfange der weiteren Anklageschrift abgetrennt und den Angeklagten unter Einbeziehung weiterer Entscheidungen im Übrigen zu einer einheitlichen Jugendstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger Berufung eingelegt und zugleich um Prüfung gebeten, ob im Hinblick auf den in dem Hauptverhandlungstermin abgetrennten Verfahrensteil das Verfahren gem. § 154 StPO oder § 47 JGG (endgültig) eingestellt werden kann und für diesen Fall bereits angekündigt, das Rechtsmittel zurückzunehmen. Im Termin zur Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht, der Jugendkammer des LG hat nach Erörterung der Sach- und Rechtslage die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragt, das Verfahren bezüglich der abgetrennten Anklage gem. § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die bereits in der anderen Sache erfolgte Verurteilung des Angeklagten einzustellen. Hierauf hat der Angeklagte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger die Rücknahme der Berufung erklärt.
Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag hatte der Pflichtverteidiger daraufhin eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV geltend gemacht.
Die Rechtspflegerin hat diesen Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass diese Gebühr erst entstehe, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich und das Strafverfahren nicht nur vorläufig eingestellt werde. Hier habe jedoch die Berufungshauptverhandlung vor dem LG stattgefunden. Weiterhin wurde im Termin die Einstellung des Verfahrens bezüglich des weiteren Verfahrens zudem durch die Staatsanwaltschaft beantragt. Zu einer Einstellung sei es bisher nicht gekommen. Daher sei auch nicht die Gebühr Nr. 4141 VV entstanden.
2 Aus den Gründen
Die gegen diese Zurückweisung vom Rechtsanwalt erhobene Erinnerung ist zulässig und begründet. Zur Begründung seiner Erinnerung hat der Verteidiger ausgeführt, dass die Entscheidung in der Hauptverhandlung vor dem LG Berlin erfolgt sei und in diesem Zusammenhang einzig erheblich sei, ob durch anwaltliche Mitwirkung des Verteidigers die Hauptverhandlung entbehrlich und das Verfahren endgültig eingestellt werden konnte. Die Mitwirkung des Verteidigers habe darin bestanden, dass der Verteidiger mehrere Vorstöße unternommen habe, exakt die vor dem LG protokollierte Einstellung des Verfahrens, über die dort nochmals länger verhandelt wurde, vorzunehmen, während er im Gegenzug, wie bereits bei der Einlegung des Rechtsmittels angekündigt, die Berufung des Mandanten zurückgenommen habe. Zweifel am Vorliegen der von dem Verteidiger dargelegten Aktivitäten bestehen nicht. Mit Beschluss hat das AG das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Geschehens aus der Anklageschrift nach § 154 Abs. 2 StPO (vorläufig) eingestellt und aufgrund der faktischen verfahrensbeendenden Wirkung zugleich eine Kostenentscheidung getroffen. Erst mit dieser Entscheidung ist das Strafverfahren vollständig zum Abschluss gebracht worden.
Bei dieser Sachlage ist eine Gebühr nach der Nr. 4141 VV entstanden. Die sogenannte "Befriedungsgebühr" soll dazu dienen, einvernehmliche Verfahrensentscheidungen zu fördern, und dem Verteidiger einen beträchtlichen Anreiz zur fördernden Mitwirkung bieten (Hartmann, KostG, 45. Aufl., Nr. 4141 VV Rn 1). Ohne die unbestrittenen Aktivitäten des Verteidigers und den Antrag der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung in der Berufungsinstanz wäre hinsichtlich des Anklagevorwurfs aus der Anklageschrift eine erneute Hauptverhandlung durchzuführen gewesen. Das Gericht erster Instanz, das Jugendschöffengericht, hätte daher insoweit eine neue Hauptverhandlung anberaumen müssen. Diese Verfahrenssituation ist daher nicht mit der Situation vergleichbar, die – so häufig – dadurch entsteht, dass im Zuge der Hauptverhandlung hinsichtlich einzelner erkennbarer Taten zunächst eine Abtrennung und (Teil-)Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO erfolgt und anschließend hinsichtlich des oder der verbleibenden Tatvorwürfe bzw. Tatvorwurfs ein Erkenntnis folgt. Verbleibt es nach Eintritt der Rechtskraft bei ...