FamFG § 80 S. 1; ZPO § 91
Leitsatz
- Im Rahmen von § 80 S. 1 FamFG sind Aufwendungen der Beteiligten als notwendig anzusehen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Beteiligter die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte, wobei der Grundsatz sparsamer Verfahrensführung gilt.
- Erstattungsfähige Kosten i.S.v. § 80 S. 1 FamFG sind auch solche, die der Antrags- oder Rechtsmittelgegner in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der Rücknahme des Antrags oder Rechtsmittels verursacht hat (Abgrenzung zu BGH, 25.2.2016 – III ZB 66/15, BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900 [= AGS 2016, 252]).
BGH, Beschl. v. 25.1.2017 – XII 447/16
1 Sachverhalt
Der Antragsgegner begehrt die Festsetzung von Anwaltskosten gegen die Antragstellerin.
Die miteinander verheirateten Beteiligten leben getrennt. Mitte Juli 2015 beantragte die Antragstellerin beim AG, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind zu übertragen. Das AG bestimmte am 9.9.2015 Termin zur Anhörung auf den 29.9.2015 und verfügte die Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner, der die Ladung und die Antragsschrift am 12.9.2015 erhielt. Mit am 14.9.2015 beim AG eingegangenem Rechtsanwaltsschriftsatz nahm die Antragstellerin den Antrag zurück. In Unkenntnis hiervon beauftragte der Antragsgegner einen Rechtsanwalt mit der Vertretung in dem Verfahren. Dieser reichte – ohne Kenntnis von der Antragsrücknahme zu haben – am 23.9.2015 beim AG einen Schriftsatz ein, mit dem dem Antrag entgegengetreten und dessen Zurückweisung beantragt wurde. Mit Beschl. v. 16.12.2015 erlegte das AG der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf.
Mit Antrag vom 20.1.2016 hat der Antragsgegner um Festsetzung seiner Rechtsanwaltskosten i.H.v. 201,71 EUR ersucht. Dem hat das AG entsprochen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr auf Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags gerichtetes Begehren weiter.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 85 FamFG, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des durch § 70 Abs. 4 FamFG begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist. Diese Begrenzung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, das als selbstständige Folgesache mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2012 – VI ZB 1/12 – NJW 2013, 1369 Rn 5 m.w.N.; Keidel/Meyer-Holz, FamFG 19. Aufl. § 70 Rn 48a; vgl. auch Senatsbeschl. v. 30.9.2015 – XII ZB 635/14, FamRZ 2015, 2147 Rn 6 m.w.N. u. v. 11.9.2013 – XII ZA 54/13, FamRZ 2013, 1878 Rn 7 m.w.N.).
2. Das OLG hat seine in FamRZ 2017, 138 [= AGS 2016, 547] veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
Nach der Kostengrundentscheidung im Beschluss des AG habe die Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Festzusetzen seien die i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendigen Aufwendungen. Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO seien dabei die Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich zu erstatten und damit einer Überprüfung auf Notwendigkeit entzogen.
Zwar habe der BGH mit Beschl. v. 25.2.2016 (BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900 [= AGS 2016, 252]) ausgesprochen, entscheidend sei darauf abzustellen, ob die kostenauslösende Maßnahme objektiv erforderlich sei, so dass es auf eine Unkenntnis des Rechtsmittelgegners von einer Berufungsrücknahme nicht ankomme. Folgte man dem auch in der vorliegenden Konstellation und stellte daher auf die Rücknahme des Antrags ab, hätte der Antragsgegner die zweifelsfrei angefallenen Anwaltskosten selbst zu tragen.
Diese einer Mindermeinung entsprechende Rechtsansicht sei jedoch von der Begründung wie auch insbesondere von der Wertung her nicht einleuchtend bzw. tragbar. Sie widerspreche der Rspr. des BAG und der ganz h.M., nach der die Aufwendungen für einen in derartigen Fällen zur Rechtsverteidigung eingeschalteten Anwalt erstattungsfähig seien, wenn bei dessen Beauftragung bzw. Tätigkeit weder der Beklagte noch der Anwalt Kenntnis von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels gehabt hätten. Der Ausgangspunkt des BGH sei bereits sprachlich unklar. Entscheidend sei aber, dass nach der Wertung des BGH die mit einer Klage oder einem Rechtsmittel überzogene Partei das volle Kostenrisiko tragen solle für den Fall, dass diese Prozesshandlungen zu einem von ihr nicht beeinflussbaren Zeitpunkt zurückgenommen würden. Die vom BGH vertretene Ansicht, eine bestehende Ungewissheit könne durch eine (telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos geklärt werde...