ZPO § 114 Abs. 2
Leitsatz
- Die Erhebung einer gesonderten Klage ist mutwillig, wenn das gleiche Ziel auch mit einer Klageerweiterung in einem bereits anhängigen Verfahren erreicht werden kann.
- In diesem Fall ist die beantragte Prozesskostenhilfe gänzlich abzulehnen. Eine beschränkte Bewilligung auf die Mehrkosten des getrennten Vorgehens ist nicht zulässig.
LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 3.11.2016 – 1 Ta 116/16
1 Sachverhalt
Die Parteien führen vor dem ArbG einen Rechtsstreit, in dem es um den Bestand des Arbeitsverhältnisses geht.
Später hat die Klägerin eine weitere Klage gegen den Arbeitgeber erhoben und beantragt, ihn zu verurteilen, bestimmte rufschädigende Äußerungen zu unterlassen, Nachweise zu den von ihr erbrachten Sozialversicherungsbeiträgen zu erbringen sowie ein qualifiziertes Zwischenzeugnis – hilfsweise ein qualifiziertes Endzeugnis – zu erteilen.
Hierfür hat die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Das ArbG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe die anhängige Klage erweitern können, was kostengünstiger gewesen wäre.
Dagegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt und zugleich einen Antrag auf Verbindung beider Verfahren gestellt.
Das ArbG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, dass eine Verbindung der Verfahren nicht dazu führen würde, dass die Mutwilligkeit entfiele. Auch finde eine Beschränkung der Mutwilligkeit auf die Mehrkosten der durch die eigenständige Klage ausgelösten Kosten nicht statt.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Das ArbG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht und mit zutreffender Begründung versagt. Hierauf wird Bezug genommen. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Gem. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO erhält eine Partei dann keine Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig erscheint. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung nach § 114 Abs. 2 ZPO dann, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
Mutwillig handelt nach der Rspr. deshalb derjenige, der von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist. Regelmäßig ist daher die Anstrengung eines neuen Prozesses statt einer Klagerweiterung mutwillig. Ausnahmsweise ist keine Mutwilligkeit anzunehmen, wenn für die Erhebung einer zweiten Klage nachvollziehbare Gründe bestehen (LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 3.2.2010 – 2 Ta 206/09, juris Rn 7).
Aufgrund des im Fall einer Klagerweiterung trotz einer Addition der Gegenstandswerte für die Gebührenberechnung degressiven Anstiegs der Gebühren würden der Klägerin, falls diese nicht bedürftig wäre, bei einer Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche im Wege der Klagerweiterung im Verfahren 3 Ca 1185/15 insgesamt geringere Kosten entstehen als bei isolierter Geltendmachung im weiteren vorliegenden Verfahren.
Gründe, die einer Klagerweiterung im Verfahren 3 Ca 1185/15 entgegenstehen, sind vorliegend nicht ersichtlich. Die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche stehen im engen Zusammenhang mit dem Bestandsschutzprozess. Es geht um die Unterlassung der Androhung "strafrechtlicher Schritte" aufgrund von Äußerungen in jenem Verfahren, die Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft, den Nachweis der Gehaltszahlung sowie die Erteilung eines Zeugnisses. Sämtliche Streitgegenstände stehen mit dem Bestandsschutzverfahren in einem engen Zusammenhang, so dass eine Klagerweiterung sich sogar aufgedrängt hätte.
Zutreffend ist das ArbG auch davon ausgegangen, dass eine Beschränkung der Mutwilligkeit auf die Mehrkosten der neuen Klage nicht in Betracht kommt (ebenso LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.11.2009 – 1 Ta 19/09, juris). Hierfür ist eine Rechtsgrundlage schlicht nicht ersichtlich.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
AGS 5/2017, S. 238