RVG VV Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3106; SGG § 202; ZPO § 278 Abs. 6
Leitsatz
Für den Anfall der Terminsgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 1, 2. Alt., S. 2 zu Nr. 3106 VV ist der Abschluss eines außergerichtlichen, schriftlichen Vergleichs zwischen den beiden Parteien ausreichend, der anschließend das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat. Eine gerichtliche Mitwirkung i.S.d. § 202 SGG, § 278 Abs. 6 ZPO ist nicht erforderlich.
SG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 15.3.2017 – S 1 R 535/13
1 Aus den Gründen
Es besteht zwischen den Beteiligten des Kostenfestsetzungsverfahrens Streit über die Entstehung der Terminsgebühr.
Vorliegend hat die Beklagte ein Vergleichsangebot mit Schriftsatz vom 11.11.2015 u.a. mit dem Inhalt der Erledigung des Rechtsstreits abgegeben, dass die Gegenseite ohne gerichtliche Mitwirkung i.S.v. § 278 Abs. 6 ZPO mit Schriftsatz vom 7.12.2015 angenommen hat. Bei dieser Konstellation fällt die Gebühr i.H.v. 90 % der angemessenen Verfahrensgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 1, 2. Alt., S. 2 zu Nr. 3106 VV an. Es wurde hier ein außergerichtlicher, schriftlicher Vergleich zwischen den beiden Parteien geschlossen, der anschließend das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat. Eine gerichtliche Mitwirkung i.S.d. § 202 SGG, § 278 Abs. 6 ZPO ist nicht erforderlich, weil der Gebührentatbestand den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs gar nicht erfordert. Der Gesetzgeber kennt sehr wohl den Unterschied zwischen dem Entstehen einer Gebühr infolge eines Abschlusses eines gerichtlichen Vergleichs i.S.v. § 278 Abs. 6 ZPO (vgl. Nr. 3101 Nr. 2 VV) und dem eines schriftlichen Vergleichs nach Anm. S. 1 Nr. 1, 2. Alt., S. 2 zu Nr. 3106 VV (vgl. Schneider, in: AGS 2016, 76), so dass im Ergebnis sowohl der gerichtliche Vergleich i.S.v. § 278 Abs. 6 ZPO als auch der Abschluss eines außergerichtlichen, schriftlichen Vergleichs die Terminsgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 1, 2. Alt., S. 2 zu Nr. 3106 VV auslöst.
Darüber nimmt der Sinn und Zweck einer so genannten fiktiven Terminsgebühr die Entlastung der Gerichte durch schnellstmögliche Erledigung der Hauptsache ins Auge. Durch die von der Beklagten zitierte Rspr. wird dies völlig konterkariert (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., Nr. 3104, Rn 69).
Das gewünschte Ziel des Gesetzgebers, die Gerichte nicht nur in der Vermeidung von Verhandlungsterminen, sondern im Allgemeinen zu entlasten, würde nicht erreicht werden, wenn zusätzlich zur bereits bestehenden außergerichtlichen Einigung infolge Annahme des Vergleichsangebotes noch ein deklaratorischer Beschluss des Gerichts i.S.v. § 278 Abs. 6 ZPO gefordert wird.
Norbert Schneider
AGS 5/2017, S. 220 - 221